Die Akte Veden
schlagartig stehen. Tim prallte gegen ihn.
»Sagen Sie das noch mal!«
Der Kommissar blickte auf, als Loki zurück ins Zimmer kam und vor dem Schreibtisch stehen blieb.
»Was? Dass Sie ein arroganter kleiner Scheißkerl sind? Gerne.«
Loki winkte ab. »Nicht das. Das andere.«
Der Kommissar lehnte sich im Stuhl zurück und runzelte die Stirn. »Was denn jetzt?«
»Sagten Sie Veden ?«
»Ja. Das ist die Aktenbezeichnung des Falls.«
»Warum? Warum heißt er so?«
Der Kommissar zog die Akte zu sich und blätterte. »Wo haben wir es? Ah, hier: Der Gründer der Schule war ein Kerl namens Gobinda Veden. Deshalb heißt der Fall so.«
Loki riss dem Kommissar die Akte weg, schloss sie und klemmte sie sich unter den Arm. Er lächelte. »Ich nehme den Fall an. Sie hören auf den üblichen Wegen von mir. Haben Sie einen schönen Tag, Herr Hauptkommissar. Auf bald.« Er drehte sich um und ging hinaus.
Der Kommissar und Tim starrten sich an.
»Er ist verrückt, oder?«, fragte der Kommissar.
»Total. Ich gehe dann mal.«
»Ja.« Sie nickten sich zu. »Passen Sie auf sich auf, Johnny. In Gesellschaft solcher Kerle muss man ständig aufpassen. Irgendwann schnappt er noch komplett über.«
»Ich heiße nicht Johnny.«
»Nicht?«
»Nein. Tim.«
»Warum nennt er Sie dann so?«
Tim seufzte. »Ich habe irgendwann mal unter der Dusche I Walk The Line gesungen. Hab die Töne wohl nicht so richtig getroffen.«
Der Kommissar fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wenn er überschnappt, erschießen Sie ihn auf der Stelle. Ich habe keine Lust, einen Jäger hinter ihm herschicken zu müssen.«
Tim blinzelte. »Äh, ja. Ich meine, nein! Ich gehe.« Er drehte sich um und lief aus dem Büro.
* * *
Chest öffnete die Augen. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass fünf Minuten vergangen waren, seit er mit der Imagination begonnen hatte.
Hora saß auf dem Stuhl, die Beine von sich gestreckt, zwischen den Fingern der rechten, mit den Lederriemen umwickelten Hand einen Joint. Er grinste und erwiderte Chests Blick. Neben ihm gurgelte und blubberte ihr Labor.
Chest biss die Zähne aufeinander, beugte sich nach vorne und drehte sich selbst einen Joint. Er rauchte still, ab und zu sah er Hora stumm an. Als er ausgeraucht hatte, lehnte er sich wieder zurück und schloss die Augen.
Die Zeitreise ging weiter:
*
Zufrieden registrierte er, dass er nur noch einen halben Kopf kleiner war als sein Vater. Chest folgte seinen Eltern ins Klassenzimmer, wartete, bis beide vor Sir Crawn Platz genommen hatten und setzte sich schließlich neben seine Mutter.
»Schön, Sie kennen zu lernen«, sagte Crawn. In seinem wettergegerbten Gesicht war der Ansatz eines Lächelns zu sehen, die Schärfe in seinem Blick blieb allerdings. »Glückwunsch zur Unternehmensfusion, die Ihnen letzte Woche geglückt ist.« Das Schmunzeln wurde konkreter, und Chest konnte den Spott, der darin lag, beinahe greifen.
Er warf seinem Vater einen raschen Blick zu.
»Jaja«, winkte sein Vater ab. »Schmieren Sie sich Ihren Sarkasmus dahin, wo Sie es am liebsten haben. Kommen Sie zur Sache.«
Chests Mutter verzog keine Miene, ihre grauen Augen waren starr auf Crawn gerichtet.
Crawn gluckste. »Wie es Ihnen beliebt! Nun denn, sprechen wir über die Frucht Ihrer Lenden.« Crawn sah Chest kurz an. »Wie gut kennen Sie Ihr Kind?«
Jetzt sah sein Vater zu Chest. Ihre Blicke trafen sich, keiner von ihnen verzog eine Miene.
»Gar nicht«, antwortete Chest. »Dieser Mann und diese Frau sind mir nur vom Sehen bekannt.«
»Ach herrje«, stöhnte Crawn. »Ich habe Ihren Sohn schon dermaßen verdroschen, dass er vor Angst eigentlich vergehen sollte – stattdessen weiß er immer noch nicht, wann er reden darf.«
»Er sagt die Wahrheit«, antwortete Chests Mutter. »Wir sehen unsere Kinder nicht oft. Es genügt, dass wir Ihnen die finanziellen Mittel geben, zu mehr fühlen wir uns nicht verantwortlich.«
Chest hörte Hora in seinem Kopf lachen.
»Nun, dann sollten Sie mal einen Tag mit Chest verbringen. Damit Sie wissen, wie sich die Hölle anfühlt.«
»Sie sind ein Freund der Übertreibung.«
Crawn schüttelte den Kopf und grinste seinen Vater gradheraus an. »Oh nein. Ich bin ein Freund der Tatsachen. Ich unterrichte seit vierzig Jahren an dieser Schule, wie Sie wissen, aber so einem Kind bin ich noch nie begegnet.«
»Erklären Sie sich endlich!«
»Gerne. Ihr Sohn treibt nichts als Klamauk. Ich gebe Ihnen mit Vergnügen Beispiele: Er stellt sich ans Fenster
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