Die Akte
noch einmal Mist bauen, sind wir beide tot. Mir geht allmählich das Glück aus. Haben Sie verstanden?«
»Ja! Ich habe verstanden, ich schwöre es.«
»Nehmen Sie sich hier ein Zimmer. Morgen abend, wenn wir dann noch leben, besorge ich Ihnen ein anderes kleines Hotel.«
»Was ist, wenn hier nichts frei ist?«
»Dann können Sie in meinem Badezimmer schlafen, bei verschlossener Tür.«
Es war ihr todernst. Er kam sich vor wie ein ABC-Schütze, der gerade seine erste Tracht Prügel bekommen hatte. Sie schwiegen ungefähr fünf Minuten.
»Also wie konnten sie mich finden?« fragte er schließlich. »Ich nehme an, das Telefon in Ihrer Wohnung ist angezapft, und das in Ihrem Wagen. Und ich nehme an, dass Smith Keens Wagen gleichfalls angezapft ist. Diese Leute sind keine Anfänger.«
36
E r verbrachte die Nacht in Zimmer 13, schlief aber kaum. Das Restaurant wurde um sechs geöffnet, und er schlich zum Kaffee hinunter, danach schlich er zurück in sein Zimmer. Das Hotel war alt und verwinkelt und durch die Verbindung von drei Häusern entstanden. Überall gab es kleine Türen und schmale Flure, die in alle Richtungen verliefen. Die Atmosphäre war zeitlos.
Es würde ein langer, anstrengender Tag werden, aber er würde ihn mit ihr verbringen, und darauf freute er sich. Er hatte einen Fehler gemacht, einen schlimmen Fehler, aber sie hatte ihm verziehen. Genau halb neun klopfte er an die Tür von Zimmer 1. Sie öffnete sie schnell und schloss sie dann hinter ihm wieder ab.
»Haben Sie gut geschlafen?« fragte sie, aber nur aus Höflichkeit.
»Nein.« Er warf ein Exemplar der Times aufs Bett. Er hatte es bereits überflogen, und es stand wieder nichts darin.
Darby griff zum Telefon und wählte die Nummer der Juristischen Fakultät von Georgetown. Sie sah ihn an und lauschte in den Hörer, dann sagte sie: »Vermittlungsbüro bitte.«
Es folgte eine lange Pause. »Ja, hier spricht Sandra Jernigan. Ich bin Partnerin bei White and Blazevich hier in der Stadt, und wir haben Probleme mit unseren Computern. Wir versuchen, einige Lohnlisten zu rekonstruieren, und die Buchhaltung hat mich gebeten, Sie nach den Namen der Studenten zu fragen, die im letzten Sommer als Praktikanten bei uns gearbeitet haben. Soweit ich weiß, waren es vier.« Sie hörte einen Moment zu. »Jernigan. Sandra Jernigan«, wiederholte sie. »Ah ja. Wie lange wird das dauern?« Eine Pause. »Und Ihr Name ist Joan? Vielen Dank, Joan.« Darby deckte die Sprechmuschel ab und holte tief Luft. Gray beobachtete sie genau, aber mit einem bewundernden Lächeln.
»Ja, Joan. Also sieben waren es. Unsere Unterlagen sind ein einziges Chaos. Haben Sie ihre Adressen und Sozialversicherungsnummern? Wir brauchen sie für die Steuer. Natürlich. Wie lange wird das dauern? Gut. Einer unserer Büroangestellten ist gerade in Ihrer Gegend. Sein Name ist Snowden, und er wird in einer Viertelstunde bei Ihnen sein. Vielen Dank, Joan.« Darby legte den Hörer auf und schloss die Augen.
»Sandra Jernigan«, sagte er.
»Ich bin nicht gut im Lügen«, sagte sie.
»Sie waren wundervoll. Und der Büroangestellte bin vermutlich ich.«
»Sie können ohne weiteres als Angestellter einer Anwaltskanzlei durchgehen. Sie haben etwas von einem alternden Ex-Jurastudenten an sich.« Und Sie sind ziemlich schlau, dachte sie.
»Das Flanellhemd gefällt mir.«
Sie trank einen großen Schluck kalten Kaffee. »Dies kann ein langer Tag werden.«
»So weit, so gut. Ich hole die Liste, und wir treffen uns in der Bibliothek. Richtig?«
»Ja. Das Vermittlungsbüro ist im fünften Stock der Juristischen Fakultät. Ich werde in Zimmer 336 sein. Das ist ein kleiner Konferenzraum im dritten Stock. Sie nehmen als erster ein Taxi. Wir treffen uns dort in einer Viertelstunde.«
»Jawohl, Madam.« Grantham war zur Tür hinaus. Darby wartete fünf Minuten und verließ dann mit ihrer Segeltuchtasche das Zimmer.
Die Fahrt war kurz, aber das Taxi kam im Morgenverkehr nur langsam voran. Das Leben auf der Flucht war schon schlimm genug, aber Davonlaufen und Detektivspielen gleichzeitig war zuviel. Sie hatte schon fünf Minuten im Taxi gesessen, bevor sie daran dachte, dass ihr vielleicht jemand folgte. Und das war vielleicht nur gut. Vielleicht würde ein harter Tag als recherchierende Reporterin ihre Gedanken von Stummel und den anderen Quälgeistern ablenken. Sie würde heute und morgen arbeiten, und am späten Mittwochabend würde sie an einem Strand sein.
Sie würden mit Georgetown anfangen.
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