Die Akte
achtzig. Sie können bald sterben oder noch zehn Jahre leben. Ein Demokrat könnte zum Präsidenten gewählt werden. Weshalb ein Risiko eingehen? Bringt sie jetzt um, ein Jahr vor der Wahl. Völlig einleuchtend für jemanden, der so denkt.«
»Aber weshalb Jensen?«
»Er war ein wunder Punkt. Und allem Anschein nach eine leichte Zielscheibe.«
»Ja, aber im Grunde war er ein Gemäßigter, der gelegentlich nach links ausscherte. Und er war von einem Republikaner nominiert worden.«
»Möchtest du eine Bloody Mary?«
»Gute Idee. In einer Minute. Ich versuche nachzudenken.«
Darby lehnte sich auf dem Bett zurück, trank ihren Kaffee und sah zu, wie das Sonnenlicht den Balkon erreichte. »Überleg doch mal, Thomas. Das Timing ist wunderbar. Wiederwahl, Nominierungen, Politik, all das. Aber denk an die Gewalttätigkeiten und die Radikalen, die Eiferer, die Abtreibungsgegner und die Schwulenhasser, die Arier und die Nazis, denk an all die Gruppen, die imstande sind, jemanden umzubringen, und an all die Drohungen gegen das Gericht. Für eine unbekannte, unauffällige Gruppe ist es genau der richtige Moment, um sie zu beseitigen. Es ist grausig, aber das Timing ist grandios.«
»Und was für eine Gruppe soll das sein?«
»Wer weiß.«
»Die Underground Army?«
»Die ist nicht gerade unauffällig. Sie hat Richter Fernandez in Texas umgebracht.«
»Arbeitet die nicht mit Bomben?«
»Ja. Experten im Umgang mit Plastiksprengstoff.«
»Die kannst du streichen.«
»Im Augenblick streiche ich überhaupt niemanden.« Darby stand auf und band den Bademantel wieder zu. »Komm mit. Ich mach dir eine Bloody Mary.«
»Nur, wenn du mit mir trinkst.«
»Thomas, du bist Professor. Du kannst deine Seminare absagen, wann immer du willst. Ich bin Studentin und...«
»Ich weiß, in welchem Verhältnis wir zueinander stehen.«
»Ich kann keine Seminare schwänzen.«
»Ich lasse dich in Verfassungsrecht durchfallen, wenn du nicht schwänzt und dich mit mir betrinkst. Ich habe ein Buch mit Urteilsbegründungen von Rosenberg. Wir wollen sie lesen, Bloody Marys trinken, dann Wein, dann irgend etwas anderes. Ich vermisse ihn schon jetzt.«
»Ich habe um neun Verfahrensrecht, das kann ich nicht schwänzen.«
»Ich werde den Dekan anrufen und dafür sorgen, dass er alle Vorlesungen und Seminare ausfallen lässt. Wirst du dann mit mir trinken?«
»Nein. Nun komm schon, Thomas.« Er folgte ihr die Treppe hinunter in die Küche, zum Kaffee und zum Alkohol.
6
O hne den Hörer von der Schulter zu nehmen, drückte Fletcher Coal auf einen weiteren Knopf an dem Telefon auf dem Schreibtisch im Oval Office. Drei Lämpchen blinkten bereits, wartende Gesprächspartner. Er wanderte langsam vor dem Schreibtisch herum und hörte zu, während er einen zweiseitigen Bericht von Justizminister Horton überflog. Er ignorierte den Präsidenten, der geduckt vor einem der Fenster stand, mit behandschuhten Händen seinen Golfschläger umklammerte, zuerst den gelben Ball anstarrte und dann den Blick langsam. über den blauen Teppich zu dem drei Meter entfernten Messingloch wandern ließ. Coal knurrte etwas in den Hörer. Der Präsident, der den Ball leicht anschlug und zusah, wie er exakt in das Loch rollte, bekam nichts davon mit. Das Loch klickte und leerte sich selbst, und der Ball rollte einen Meter zur Seite. Der Präsident rückte auf Strümpfen an den nächsten Ball heran; er war orange. Er tippte ihn an, und der Ball rollte direkt ins Loch. Acht hintereinander. Siebenundzwanzig von dreißig.
»Das war Chief Runyan«, sagte Coal und knallte den Hörer auf die Gabel. »Er ist ziemlich aufgeregt. Er möchte Sie heute nachmittag sprechen.«
»Sagen Sie ihm, er soll warten, bis er dran ist.«
»Ich habe ihm gesagt, er soll morgen früh um zehn kommen. Halb elf haben Sie eine Kabinettssitzung und um halb zwölf den Nationalen Sicherheitsrat.«
Ohne aufzusehen, packte der Präsident den Schläger wieder fester und betrachtete den nächsten Ball. »Ich kann es gar nicht erwarten. Was ist mit den Umfragen?« Er holte bedächtig aus und ließ den Ball nicht aus den Augen.
»Ich habe gerade mit Nellson gesprochen. Er hat zwei durchgeführt, die erste am Mittag. Der Computer verdaut sie gerade, aber er meint, die Zustimmungsrate dürfte irgendwo in der Nähe von zweiundfünfzig oder dreiundfünfzig Prozent liegen.«
Der Golfspieler schaute kurz auf und lächelte, dann kehrte er zu seinem Spiel zurück. »Wo lag sie vorige Woche?«
»Bei
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