Die Akte
okay?«
»Okay, okay.«
»Und ich möchte heute nachmittag um fünf einen Bericht.«
»Gut. Okay. Aber es ist Zeitverschwendung.«
Fletcher Coal trat an den Schreibtisch und stellte sich neben den Präsidenten. »Gentlemen, ich schlage vor, dass wir um fünf hier wieder zusammenkommen. Ist Ihnen das recht?« Beide nickten und erhoben sich. Coal begleitete sie wortlos zur Tür und machte sie hinter ihnen zu.
»Das haben Sie wirklich gut gemacht«, sagte er zu dem Präsidenten. »Voyles weiß, dass er verwundbar ist. Ich habe Blut gerochen. Wir werden über die Presse auf ihn einschlagen.«
»Rosenberg ist tot«, wiederholte der Präsident. »Ich kann es einfach nicht glauben.«
»Ich habe eine Idee für das Fernsehen.« Coal wanderte wieder herum, ganz der Mann, der das Sagen hat. »Wir müssen aus dem Schock unseren Vorteil ziehen. Sie müssen müde aussehen, so, als wären Sie die ganze Nacht aufgewesen, um der Krise Herr zu werden. Einverstanden? Die ganze Nation wird zuschauen, darauf warten, dass Sie Einzelheiten mitteilen und sie beruhigen. Ich meine, Sie sollten etwas Warmes und Tröstliches tragen. Anzug und Krawatte um sieben Uhr morgens könnten aufgesetzt wirken. Wir sollten uns ein bisschen entspannt geben.« Der Präsident hörte aufmerksam zu. »Bademantel?«
»Das nicht gerade. Aber wie wäre es mit einer Strickjacke und einer bequemen Hose? Keine Krawatte. Weißes Hemd. Eine Art Großvater-Image.«
»Sie wollen, dass ich der Nation in dieser Stunde der Krise im Pullover gegenübertrete?«
»Ja. Es gefällt mir. Eine braune Strickjacke und ein weißes Hemd.«
»Ich weiß nicht recht.«
»Das Image ist gut. Vergessen Sie nicht, Chef, im nächsten Jahr ist Wahl. Dies ist unsere erste Krise seit drei Monaten, und was für eine wunderbare Krise! Die Leute müssen Sie in etwas anderem sehen, zumal um sieben Uhr morgens. Sie müssen salopp aussehen, häuslich, aber Herr der Lage. Das wird uns in den Meinungsumfragen fünf, vielleicht sogar zehn Punkte einbringen. Vertrauen Sie mir, Chef.«
»Ich kann Pullover nicht ausstehen.«
»Vertrauen Sie mir einfach.«
»Ich weiß nicht recht.«
5
D arby Shaw erwachte in der frühmorgendlichen Dunkelheit mit dem Anflug eines Katers. Nach fünfzehn Monaten Jurastudium weigerte sich ihr Verstand, länger als sechs Stunden zu ruhen. Sie war oft schon vor Tagesanbruch auf, weil sie mit Callahan nicht gut schlafen konnte. Der Sex war grandios, aber das Schlafen war oft ein Tauziehen mit Kissen und Laken.
Sie betrachtete die Zimmerdecke und hörte zu, wie er in seinem von Scotch hervorgerufenen Koma gelegentlich schnarchte. Die Laken hatten sich wie Taue um seine Knie gewickelt. Sie hatte keine Decke, aber ihr war nicht kalt. In New Orleans ist auch der Oktober noch schwül und warm. Die schwere Luft stieg von der Dauphine Street herauf, über den kleinen Balkon vor dem Schlafzimmer und durch die offenstehende Terrassentür. Sie brachte den ersten Strahl Morgenlicht mit. Darby stand auf, zog Callahans Bademantel über und trat an die Tür. Die Sonne ging auf, aber die Dauphine Street war noch dunkel. Im French Quarter nahm niemand den Tagesanbruch zur Kenntnis. Dir Mund war trocken.
Unten in der Küche kochte Darby eine Kanne dicken Zichorienkaffee vom French Market. Den blauen Ziffern an der Mikrowelle zufolge war es zehn Minuten vor sechs. Für jemanden, der nicht viel trank, war das Leben mit Callahan ein ununterbrochener Kampf. Ihr Limit waren drei Glas Wein. Sie hatte weder ein bestandenes Anwaltsexamen noch einen Job und konnte es sich nicht leisten, sich jede Nacht zu betrinken und lange zu schlafen. Und sie wog sechsundfünfzig Kilo und war entschlossen, ihr Gewicht zu halten. Callahan kannte kein Limit.
Sie trank drei Gläser Eiswasser, dann füllte sie einen großen Becher mit Zichorienkaffee. Sie schaltete das Licht ein, als sie die Treppe hinaufging und sich wieder ins Bett legte. Sie drückte auf die Tasten der Fernbedienung, und auf dem Bildschirm erschien der Präsident, der an seinem Schreibtisch saß und ziemlich merkwürdig aussah in einer braunen Strickjacke und ohne Krawatte. Es war eine Sondersendung von NBC News.
»Thomas!« Sie rüttelte ihn an der Schulter. Er rührte sich nicht. »Thomas! Wach auf!« Sie drückte auf einen Knopf, und die Lautstärke schwoll an. Der Präsident sagte Guten Morgen.
»Thomas!« Sie beugte sich dem Fernseher entgegen. Callahan befreite sich von den Laken und setzte sich auf, rieb sich die Augen und
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