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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Nacht versinken und den Schiffern die Weiterfahrt erschweren.
    Der scharfe Wind drang durch den Stoff und löste in Elysa einheftiges Zittern aus. Inständig sehnte sie sich nach dem prasselnden Feuer eines Kamins und nach einer weichen Decke, die ihre Glieder wärmte. Bequemlichkeiten, die sie in Eibingen wahrscheinlich nicht vorfinden würde.
    »Warum nächtigen wir nicht im Kloster Rupertsberg? Es wäre standesgemäßer.«
    »Es gibt einen guten Grund.« Clemens von Hagen nahm seinen schwarzen Mantel ab und legte ihn Elysa fest um die Schultern. »Ich habe eine Botschaft zu übermitteln.«
    »Vom Erzbischof?«
    »Woher wisst Ihr?«
    »Das Pergament, das Ihr eingesteckt habt, bevor wir den Prahm bestiegen, trägt sein Siegel.«
    Es war ihr, als unterdrücke er ein Lächeln.
    Elysa spürte das Gewicht des warmen Stoffes. Langsam ließ das Zittern nach. »Was ist das für eine Botschaft?«, fragte sie.
    »Ihr seid sehr wissbegierig. Euer Onkel erwähnte es.«
    Bernhard von Oberstein, ihr Onkel und väterlicher Freund, Magister Scholarum in der Domschule zu Mainz. Sein Tod hatte ein tiefes Loch in ihr Leben gerissen, und nun musste Elysa auf Geheiß ihres Bruders Magnus auch noch den Ort ihrer Jugend verlassen, der ihr vertrauter war als der Stammsitz der Familie. Je näher sie der Burg kamen, umso schwerer fiel es ihr, das Schicksal anzunehmen, das er für sie auserkoren hatte. Nun war es Nacht, und sie mussten im Kloster einkehren, morgen aber würde sie auf der Familienburg eintreffen.
    Unvermittelt fuhr Clemens von Hagen fort. »Bevor wir in Eibingen ankommen, sollte ich Euch den Grund der erzbischöflichen Botschaft enthüllen, um Euch auf unseren Aufenthalt vorzubereiten.« Er wandte seinen Blick zum rechten Rheinufer. »Es geschehen dort Dinge, von denen Ihr wissen solltet.«
    »Was sind das für Dinge?«
    »Man sagt, der Teufel habe im Kloster Einzug gehalten.«
    »Der Teufel?« Unwillkürlich tastete Elysa nach dem Kreuz, das sie um den Hals trug.
    Clemens von Hagen blickte zum Schiffer, der in seiner Bewegung innehielt, und senkte die Stimme. »Es heißt, er sei in der Gestalt eines seelenlosen Mönches gekommen und treibe seit dessen Tod dort sein Unwesen.« Er schwieg kurz, als müsse er seine Gedanken sammeln. »Eine Nonne starb unter entsetzlichen Krämpfen«, fuhr er flüsternd fort. »Plötzlich und ohne jede erkennbare Ursache. Eine weitere wäre fast bei einem Brand umgekommen, der ein Seitenschiff der Kirche nahezu zerstörte, ebenso wie einen Teil des Skriptoriums. Vom Hildegardisaltar verschwand ein Schrein mit Reliquien der Meisterin, kurz darauf fanden Nonnen ihn zerschmettert und leer in der Nähe der Backstube. Ihr könnt Euch vorstellen, dass die Priorin in Aufruhr ist.«
    Entsetzt starrte Elysa den Kanonikus an. »Es wäre mir lieber, Ihr würdet mich zum Kloster Rupertsberg bringen und Eure Botschaft am nächsten Tag zustellen.«
    »Ausgeschlossen. Man würde eine Verbindung zum Rupertsberg herstellen, was gerade jetzt, wo man die Heiligsprechung Hildegards anstrebt, verheerende Folgen haben könnte. Nein! Wenn wir in Eibingen nächtigen, tun wir es als Gäste, die nach einer beschwerlichen Reise Unterkunft suchen, nicht als Botschafter des Erzbischofs.«
    »Und wie wollt Ihr für meine Sicherheit garantieren? Weiß mein Bruder von Eurem Vorhaben?«
    »Euer Bruder gab mir seine Zustimmung. Euch wird nichts geschehen, dafür werde ich Sorge tragen.«
    »Ich verstehe nicht, warum Ihr Euch da so sicher seid!«
    Elysa fühlte Wut in sich aufsteigen, gepaart mit einer tiefen Hilflosigkeit. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass derKanonikus mehr als nur ein Reisebegleiter war. Fast schien es, als wäre ihre Heimreise nur nützliche Nebensache. Clemens von Hagen hatte jemanden gebraucht, der seinen Aufenthalt in Eibingen erklärte. Und was lag näher, als dass eine junge Adelige, von Dunkelheit und schlechter Witterung überrascht, Unterkunft in einem Kloster suchte, das sie ansonsten niemals erwählt hätte. Einem Kloster, deren Nonnen vorwiegend aus Ministerialentöchtern und Frauen der unteren Schichten stammten und das nicht dem Adel vorbehalten war, wie das Mutterkloster auf dem Rupertsberg, das nur wenige Stunden flussaufwärts lag. Und das sie mit einem Pferdewagen noch bei Tageslicht hätten erreichen können.
    »Versucht mich zu verstehen, ehrwürdiger Clemens, lieber nächtige ich auf dem Boot, als Euch nach Eibingen zu folgen.«
    Elysa glaubte, in der Dunkelheit ein Lächeln des

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