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Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Dahlquist
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näher kam, sagte sie gleichmäßig und leise: »Hinter dem Tisch des Galeristen ist ein Spiegel. Im Spiegel – nicht umdrehen, Mr. Brine – kauert eine Gestalt im Schatten der Bierkutsche. Ist das vielleicht Ihr Mann im braunen Mantel?«
    Brine saugte zischend die Luft ein.
    »Hervorragend«, sagte Miss Temple. »Wir gehen weg, ohne ihn zu beachten. Ich bezweifle, dass der Mann allein ist, und bevor wir seine Kumpane nicht ausgemacht haben, könnten wir nichts tun.«
    Sie hielten sich auf gut beleuchteten Straßen. An der nächsten Kreuzung beugte sich Mr. Brine zu ihr hinunter und flüsterte: »Wenn er Begleiter hat, dann haben sie sich nicht gezeigt. Wenn Sie erlauben, Miss, können wir ihn in die Falle locken.«
    Brine umfasste ihren Ellbogen mit seiner riesigen Hand und führte sie zu einem schmalen Sträßchen mit unbeleuchteten Geschäften, wo das Kopfsteinpflaster mit zerbrochenen Kisten, Papier und Stroh übersät war. Sobald sie um die Ecke waren, verbarg Brine seinen massigen Körper geschickt hinter drei leeren Fässern. Sie ging weiter, zog die Pistole aus der Handtasche und tat dann so, als winke sie zu der Glastür eines Geschäfts. Sie hoffte, es würde so aussehen, als wäre Mr. Brine hineingegangen und ließe sie draußen warten.
    Im hellen Schein der Straße tauchte eine Gestalt auf … deren Kopf wie eine Schlange hin und her ruckte. Miss Temple setzte ihr Schauspiel ungeduldig fort. Der Schatten kam näher und ging direkt an den Fässern vorbei …
    Mr. Brine erhob sich, aber der Mann im braunen Mantel wurde von seinem Schatten gewarnt, wich dem geschwungenen Schlagstock aus und floh zurück in die Menge. Miss Temple stürzte den beiden mit erhobener Pistole entgegen, jedoch vergeblich. Ihr Verfolger war gewarnt, und sie würden ihn nicht so leicht wieder erwischen.
    Mr. Brine machte sich schwere Vorwürfe, was Miss Temples Geduld strapazierte, und sie fühlte sich genötigt, das Thema zu wechseln und ein Gespräch zu führen, obwohl sie lieber nachgedacht hätte. Sie hatten eine Kutsche genommen, und bei jedem Blick aus dem Fenster wurde der Mann an sein Versagen erinnert und begann zu murren.
    »Ich sage es noch einmal, Mr. Brine, es hat nichts zu bedeuten – ich bin sogar froh, den Mann los zu sein, und jetzt kümmern wir uns um unsere eigentliche Angelegenheit an diesem Abend.«
    Brine blickte weiterhin hinaus, und sein großer Kopf sah albern aus zwischen den Spitzenvorhängen, die sich an seinen Ohren bauschten. Miss Temple räusperte sich. »Unsere eigentliche Angelegenheit, Mr. Brine. Hören Sie zu.«
    »Verzeihung, Miss.«
    »Es wird noch zahlreiche Gelegenheiten geben, bei denen Sie Ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Albermap Crescent, Nr. 32. Da seine Bewohner gestorben sind, brauche ich Sie, um uns Zugang zu verschaffen – vorzugsweise, ohne die Nachbarn aufzuscheuchen.«
    Sie stiegen aus der Kutsche und warteten, bis das Hufgeklapper verhallt war. Die Nr. 32 befand sich im Zentrum des Bogens von Crescent und lag völlig im Dunkeln.
    »Ich nehme an, es gibt einen Dienstboteneingang«, flüsterte Miss Temple. »Der ist unauffälliger.«
    Mr. Brine packte sie am Arm. Die obersten Fenster waren mit rohen Holzbrettern vernagelt, doch aus einem der drei Ziegelschornsteine stieg eine Rauchfahne.
    Sie eilten zum Seiteneingang. Die Steine darum herum waren mit einer körnigen Masse wie Mörtel bedeckt, und Miss Temple warf einen Blick zum Nachbarhaus hinüber, ob es repariert wurde.
    Mr. Brine stemmte sich neben dem Schloss mit einer Schulter gegen die Tür und drückte mit seinem ganzen Gewicht, und die Tür gab mit lautem Krachen nach. Miss Temple schloss die Augen und seufzte. Sie folgte Mr. Brine hinein und schob die zerborstene Tür zu. In der Stille von Andrew Rawsbarthe’ Speisekammer warteten sie … aber es erfolgte keine Reaktion.
    Sie zog den Kerzenstummel aus der Tasche, riss ein Streichholz an und führte sie zur Küche, wobei der Sand unter ihren Schuhen knirschte.
    »Riechen Sie … Kohl?«, flüsterte sie.
    Brine schüttelte den Kopf. Vielleicht ein schwacher Rest von Rawsbarthe’ letzter Mahlzeit. Mit einem Nicken trieb sie Brine vorwärts. Sie mussten den dritten Schornstein finden.
    Der Herd im Hauptraum war kalt, und Mr. Brines Finger zog eine Spur durch den Staub auf der Anrichte. Die Vordertür war verschlossen und verriegelt. Die Treppe war steil, und das Holz reflektierte das Licht der Kerze wie ein dunkler Spiegel. Die alten Stufen knarrten, eine

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