Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
bei der Bewegung hin und her, und mit einem Wimmern beugte Miss Temple sich zu ihren Zehen herab. Ungeachtet ihrer Erschöpfung machte sich die Contessa mit geübter Effizienz zurecht, während ihr die Dienerin den ersten Strumpf über das Bein zu dem Dreieck aus schwarzem Haar hochzog.
»Wenn Ihr Mr. Pfaff kein völliger Esel ist, schaffen wir es mit etwas Glück …«
Miss Temple schloss die Augen, obwohl sie in ihrem Verstand bereits mehr wusste. Zu viel. Ihre Fingerspitzen prickelten, eine perlende Spalte, ihre Zunge …
In äußerster Frustration schlug Miss Temple auf ihre Oberschenkel ein, bis die weiße Haut brannte und sich die Abdrücke ihrer Hände zeigten. Die Dienerin zog sich ängstlich zurück. Die Contessa packte Miss Temples Handgelenke.
» Celeste .«
Miss Temple drehte das Gesicht weg, weil sie nicht noch eine Ohrfeige wollte.
» Du lieber Gott .« Die Contessa gab ihrer Dienerin ein Zeichen, der anderen Frau zu helfen. »Ich komme allein zurecht. Kümmern Sie sich um sie.«
Während die beiden Frauen sie zurechtmachten, gewann Miss Temples Scham die Oberhand über ihre Erregung, und sie stand schließlich mit eng geschnürtem Korsett und ordentlich drapiertem Kleid da. Die Contessa drückte den Dienerinnen Geld in die Hand und winkte sie hinaus. Verständnislos blickte sie in Miss Temples unglückliches und tränenüberströmtes Gesicht.
»Ihr Überleben hängt davon ab, ob Lord Axewith noch immer draußen wartet.«
»Warum Lord Axewith?« Miss Temple brannten die Augen. »Ich dachte, es wäre Lady Axewith …«
»Lord Axewith wartet auf das Siegel Ihrer Majestät. Er benötigt es nicht für seine Erlasse, aber er hat – angesichts der Krise –Angst. Lord Vandaariff – der reich ist und sich nie irrt – hat seine Hilfe angeboten, und Axewith hat sich darauf gestürzt wie ein Bischof auf einen Chorknaben. Doch weil diese Erlasse neue Unruhen entfachen werden – es geht um Vertreibung und Enteignung von Menschen –, wollen Axewith, der schwach ist, und Vandaariff, der gerissen ist, dass die Königin – die man bereits hasst – die Erlasse genehmigt und somit den Kopf dafür hinhält. Doch wegen Ihrer Geschichte wird die Königin jetzt einen Erlass, der von Vandaariff kommt, nicht mehr unterzeichnen, weil sie ihn für einen Verräter hält. Die Weigerung der Königin ist eine Anklage, was bedeutet, dass die Erlasse überhaupt nicht genehmigt werden können! Es sei denn, Axewith hat die Geduld verloren und sie selbst erteilt.«
»Warum sollte er? Wenn er so lange gewartet hat …«
»Oh Celeste, warum sollte ein Mann überhaupt etwas tun?«
»Wenn Axewith also weg ist …«
Die Contessa zog Miss Temple zur Tür. »Dann sind wir, Sie kleines Ferkel, verloren!«
Eine dicke Frau mit Haaren so orange wie eine spanische Mandarine stieß die Tür auf. Einen Moment lang lächelten beide Seiten entschuldigend, aber dann erbleichte die dicke Frau vor Schreck.
»Sie! Wie können Sie es wagen! Wie können Sie es wagen, sich hier blicken zu lassen!«
»Lady Hopton, welche Überraschung …«
» Hure ! Ich komme gerade von Axewith House!«
Die Contessa trat zurück, die Augen angesichts des Zorns der anderen gesenkt, die Hände demütig hinter dem Rücken. »Tatsächlich? Ich hoffe, Lady Axewith geht es gut …«
»Sie hoffen ! Lady Axewith ist tot! Doch im Gegensatz zu ihrem Arzt bin ich nicht blind!« Lady Hopton hob eine Faust. Sie schüttelte sie vor der Contessa – die vom Zorn der Frau noch immer eingeschüchtert war – und drehte sich dann mit einem Schnauben zur gegenüberliegenden Tür um. »Aus dem Weg, Sie Abschaum! Sobald ich mit der Königin gesprochen habe …«
Die Contessa sprang auf sie zu, eine Schnur in Händen. Blitzschnell lag sie um Lady Hoptons Hals.
Lady Hopton drehte sich im Kreis und versuchte zu der Tür zu gelangen, durch die sie gerade hereingekommen war. Ihr Gesicht wurde tomatenrot, ihr Mund zu einer grellen, keuchenden Öff nung. Zuckend und knurrend zog die Contessa an der Schnur, wobei Lady Hoptons orangefarbene Perücke verrutschte. Das Haar darunter war grau und dünn. Aber die Frau drängte noch immer vorwärts, schlug nach Miss Temple, und ihre Stimme war ein angsterfülltes Krächzen.
»Hilfe …«
»Halten Sie sie auf!«, knurrte die Contessa. »Wenn sie die Tür öffnet, wird man uns sehen!«
Miss Temple war wie gelähmt von den hervorquellenden Augen – diese arme stolze Frau, die mit der Contessa gesprochen hatte, wie Miss Temple es
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