Die Alchemie des Bösen: Roman (German Edition)
ein kleiner zweirädriger Einspänner, den auf Drängen eines Soldaten sein bleichgesichtiger Besitzer übergab, der – vergebens – einen offiziellen Beleg dafür verlangte, um seinen Besitzanspruch geltend zu machen. Trooste fuhr, die Taschen unter den Sitz gequetscht, weil Chang, der in der Stadt und arm geboren war, kein Händchen für Pferde hatte. Allerdings kannte er sich in der Stadt aus und lotste Trooste durch Seitenstraßen, wo sie gut vorankamen. Dem Professor war nicht wohl in Changs bedrohlicher Gegenwart, und es dauerte eine Weile, bevor er eine Unterhaltung begann.
»Fahren wir wirklich nach Harschmort House? Für das Pferd eine ziemliche Tortur.«
»Die Nacht ist eine Tortur«, erwiderte Chang. »Nach links.«
»Aber damit entfernen wir uns …«
»Nach links.«
Trooste lenkte den Pferdewagen in eine unbefestigte Gasse. »Also der Bote des Erzbischofs …«
»Der Erzbischof kann mir gestohlen bleiben. Wissen Sie, wie Mrs. Kraft ihre geistigen Kräfte wiedererlangt hat?«
Bei dieser direkten Frage geriet Trooste ins Stottern, erkannte dann jedoch, dass er einem falschen Spiel nicht gewachsen war. »Ich weiß es tatsächlich.«
»Waren Sie es oder Svenson?«
»Na ja, ich will mich nicht loben …«
»Oder das Kind?«
»Welches Kind?«
»Das Kind, das jetzt tot ist, Professor.« Chang drehte sich auf seinem Sitz um und überzeugte sich, dass sie nicht verfolgt wurden. »Wieder nach links.«
Trooste tat es mit einer gewissen Geschicklichkeit, weil die Straße mit Abfällen übersät war, durch die womöglich ein Rad hätten brechen können. Chang fragte sich, woher der Mann stammte. War er mit Geld aufgewachsen, mit eigenem Pferdewagen, Büchern und Teleskopen, um seinen hungrigen Verstand zu füttern? Nach seinem schlicht geschnittenen Mantel zu schließen, gab es diese Annehmlichkeit nicht mehr – verspielt? –, obwohl ihn noch immer eine privilegierte Aura umgab.
»Lord Vandaariff hat Sie überhaupt nicht einbestellt.«
»Aber er wird mich empfangen.« Trooste strahlte voller Zuversicht. »Er wird hören wollen, was alles erreicht worden ist.«
»Sie meinen Svenson.«
»Allerdings.« Trooste erschauerte. »Ein schrecklicher Mensch. Sie hätten sehen sollen, wie sich das Kind gewunden hat! Sie hat die Apparate gesteuert – Sie haben es erraten, ich weiß nicht, wie –, und der Gestank, die Galle, die ihren Mund wie Teerkohle füllte …« Trooste winkte bei der Erinnerung mit beiden Händen ab, griff jedoch augenblicklich wieder nach den Zügeln.
»Entsetzlich«, murmelte er, »einfach entsetzlich !«
Als die Geschichte herauskam, begriff Chang das grausame Dilemma des Doktors: wie Madeleine Kraft retten, ohne das Kind zu vernichten. Svenson war gescheitert – oder hatte mit einer Kaltblütigkeit gehandelt, die Chang nicht für möglich gehalten hätte … Doch wer wusste, wie Svenson inzwischen dachte und handelte? Mit Trauer ging jeder Mensch anders um.
»Wir sind im Feuer in verschiedene Richtungen geflüchtet, und das war das Letzte, was ich von ihm gesehen habe.« Der Professor zog die Brauen hoch. »Wissen Sie, der Deutsche ist ein Wahnsinniger. Ein Mörder .«
»Er hat Sie nicht getötet.«
»Nicht aus Freundlichkeit.« Trooste warf Chang einen listigen Seitenblick zu. »Wissen Sie, ich glaube, Sie wollen ebenso dringend zu Robert Vandaariff wie ich – und ich soll Sie mit meinen wertvollen Neuigkeiten durch das Tor bringen!«
Trooste kicherte und wagte es, Chang aufs Knie zu schlagen. Chang schnappte danach, wie er vielleicht eine Pferdefliege in der Luft gefangen hätte.
»Erzählen Sie mir von Vandaariffs neuem Glas. Den verschiedenen Farben.«
»Ich habe wirklich keine Ahnung …«
Chang drückte zu, bis die Knochen knirschten. Trooste verzog das Gesicht, und Chang ließ seine Hand los, deren aufgequollenes Fleisch dort rosa war, wo er sie gepackt hatte. Trooste rieb sich die Finger, zur Einsicht gebracht, aber seine Augen strahlten noch immer. Normalerweise brauchte es nur Gewalt und Schmerz, um einen Mann in Schach zu halten, der daran nicht gewöhnt war, doch Trooste war widerstandsfähiger.
»Da stehen wir also. Ich hätte mir ein etwas kollegialeres …«
»Dann lügen Sie nicht. Die verschiedenen Farben. Jede mit einer anderen alchemistischen Eigenschaft.«
»Alchemistisch.« Troostes verschlagener Blick war wieder da. »Einen solchen Unsinn glauben Sie doch nicht?«
»Ich bin nicht Lord Vandaariff.«
Trooste lachte. »Aber genau darin besteht
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