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Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin

Titel: Die Alchimistin 01 - Die Alchimistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Schloß. Noch ein Anlaß, ihre Mutter zu verachten.
    Aber Christopher war nicht der einzige Grund ihrer Wut. Genaugenommen, wenn sie ganz ehrlich war, spielte er dabei kaum eine Rolle. Er mochte ein Auslöser sein, einer von vielen, aber es gab wahrlich wichtigere Ursachen für ihren Zorn. Wenn irgendwer in der Lage war, sie zu beruhigen, ihr ein wenig Trost zu schenken, dann war es Daniel. Was ihn aber anging, so hatte ihre Mutter zugegebenermaßen recht: Wo, zum Teufel, steckte er?
    Es war eine müßige Frage. Es gab nur noch einen seiner zahlreichen Lieblingsorte im Schloß, an dem sie nicht gesucht hatte. Das verärgerte sie um so mehr, als sie gerade dort zuerst hätte nachschauen müssen. Es war so naheliegend. Dummes Huhn, schalt sie sich.
    Das hieß, nein, es gab noch einen weiteren Platz. Aber wenn Daniel sich wirklich dort aufhielt, dann sollte er ihr gestohlen bleiben, ein für allemal. Sie würde ihm nicht bis hinüber zum alten Leuchtturm folgen, nicht dorthin.
    Und wenn es trotzdem so war? Wenn er wieder durch den Stollen unterm Meer zum Turm geschlichen war? Wenn er dort das gleiche versuchte wie vor zwei Monaten?
    Ohne anzuklopfen stieß sie die Doppeltür der Bibliothek auf, schnaubend vor Ärger und Sorge.
    »Hallo, Schwesterchen.«
    Daniel saß inmitten einer Festung aus Büchern, einem Halbrund aufeinandergestapelter Folianten, die ineinandergriffen wie Teile einer Ziegelmauer. Er selbst hockte im Schneidersitz in der Mitte und blickte zu ihr auf.
    Wie sie es haßte, wenn er sie Schwesterchen nannte! Schlimmer noch: Er wußte, daß sie es haßte! Er spielte wieder mit ihr. Ausgerechnet heute. Ausgerechnet jetzt.
    Daniel war achtzehn, ein Jahr älter als sie selbst. Er hatte strohblondes Haar und war für seine Größe viel zu dünn. Einst hatte in seinen Augen der Schalk geglüht, er war damit zur Welt gekommen wie manche mit einem Muttermal. Bei anderen hatte er dadurch oft den Eindruck erweckt, sich über alles und jeden lustig zu machen, sogar über sich selbst. Gerade deshalb hatte Aura ihn von Anfang an gemocht. Daniel hatte dem Leben im Schloß den angestaubten Ernst genommen.
    Doch damit war es vorbei. Die weißen Binden um seine Handgelenke verrieten auch jetzt noch, was er getan hatte. Die Wunden wollten nicht verheilen, immer wieder erschienen sanfte Blutspuren im Weiß der Bandagen. Der Anblick fuhr Aura wie ein Stachel ins Herz.
    Sein Lächeln war nicht aufrichtig, sie sah ihm an, daß er gehofft hatte, sie würde ihn in Ruhe lassen. Doch sie dachte gar nicht daran. Ihr blieben nur noch vier Tage, und dafür hatte er, verdammt noch mal, Verständnis aufzubringen!
    Eine Armlänge vor ihm blieb sie stehen und reichte ihm beide Hände, um ihm hochzuhelfen. »Komm, steh auf. Wir müssen miteinander reden.«
    Er machte keine Anstalten, ihrer Aufforderung nachzukommen.
    »Das tun wir, ständig. Wir reden und reden. Aber das ändert nichts.«
    Sie kam sich dumm vor, wie sie so vor ihm zu Kreuze kroch. Dennoch ließ sie die Arme nicht sinken, streckte sie ihm entgegen wie eine Ertrinkende.
    »Bitte«, sagte sie leise.
    Daniel hielt ihrem Blick nicht stand. Er schaute auf ihre Hände.
    »Du hast wieder an den Nägeln gekaut.«
    Wütend riß sie die Finger zurück. Ihre dunklen Augenbrauen rückten enger zusammen. »Versuche nur ja nicht, mich mit solchem Blödsinn zu verunsichern!«
    Daniel seufzte benommen und stemmte sich in die Höhe. Sein dünner Körper gab der Bewegung etwas Hilfloses, wie ein Rehkitz, das sich unbeholfen vom Waldboden erhebt. Aura bemerkte, daß er sich auf seine Hände stützte, ohne daß es ihm weh tat. Ein lächerlicher Fortschritt nach mehr als acht Wochen. Warum hörte die Blutung nicht auf?
    Sie fühlte sich sehr verloren, als sie so vor ihm stand. Daniel trat auf sie zu und nahm sie in die Arme. Sie spürte, wie starr er dabei wurde, als rate ihm seine Vernunft von solchen Gesten ab. Er wollte es, wollte sie an sich drücken, und haßte sich doch zugleich dafür. Sein ewiges Dilemma. Und das ihre.
    »Ein Abschied vor der Reise ins Mittelalter, hm?« scherzte sie schwach.
    Daniel blickte ihr traurig in die Augen. »Ach was, Mittelalter. Es wird nicht so schlimm werden, wie du glaubst.«
    »Das tröstet mich, wirklich.«
    »Es ist nur ein Internat, kein Gefängnis.«
    Sie legte ihren Kopf an seine Schulter. Sie spürte seinen Widerwillen und kümmerte sich nicht darum. »Ein Internat für höhere Töchter, eineinhalbtausend Kilometer von hier. Es ist ein

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