Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
hinschreitet!«
Der geschäftige Mateo unterbrach mein Nachsinnen und zerriß in einem Nu das Spinnengewebe meiner Phantasie. Mit seinem gewöhnlichen Eifer hatte er die das Ereigniß betreffenden Thatsachen gesammelt, welche alle meine Traumbilder verscheuchten. Die Heldin meines Romans war weder jung noch schön; sie hatte keinen Geliebten – sie war aus freier Wahl in das Kloster als einen ehrenvollen Zufluchtsort gegangen und eine der fröhlichsten Nonnen, die in jenen Mauern wohnten.
Es dauerte eine Zeitlang, ehe ich das Unrecht vergeben konnte, das mir die Nonne anthat, indem sie, allen Regeln des Romans zuwider, so glücklich in ihrer Zelle war; ich lenkte meine düstere Laune jedoch dadurch ab, daß ich einen oder zwei Tage lang die zierlichen Koketterien einer schwarzäugigen Brünette beobachtete, welche, unter dem Versteck eines mit blühendem Gebüsch überrankten Balkons und des seidnen Zeltes eine geheimnißvolle Zwiesprache mit einem schönen, braunen, stark bebarteten Ritter pflog, der häufig in der Straße unter ihrem Fenster war. Zuweilen sah ich Morgens in aller Frühe ihn, bis zu den Augen in einen Mantel gehüllt, sich wegstehlen. Zuweilen wartete er an einer Ecke in allerlei Verkleidungen, augenscheinlich eines geheimen Zeichens harrend, um in das Haus zu schlüpfen. Dann klang dort in der Nacht die Guitarre, und eine Laterne flog auf dem Balkon hin und her. Ich dachte mir einen Liebeshandel wie den des Grafen von Almaviva, ward aber wieder in allen meinen Vermuthungen betrogen, denn man unterrichtete mich, der geglaubte Liebhaber sey der Mann der Dame und ein bekannter Schleichhändler; und alle seine geheimnißvollen Zeichen und Bewegungen hätten ohne Zweifel irgend einen Schmuggel-Anschlag zur Absicht.
Manchmal ergötzte ich mich von diesem Balkon aus den allmähligen Wechsel zu beachten, welchem, zufolge der verschiedenen Tageszeiten, die Scenen unten unterworfen waren.
Kaum hatte die graue Dämmerung den Himmel gestreift, und den frühsten Hahn aus den Hütten der Hügelseite gekräht, so gaben die Vorstädte auch schon Zeichen der wiederkehrenden Belebung; denn die frühen Morgendämmerungsstunden in der Sommerjahreszeit unter einem warmen Himmelsstriche sind köstlich. Alles beeifert sich, in den Geschäften des Tages der Sonne den Rang abzugewinnen. Der Maulthiertreiber tritt mit seinem beladenen Zug die Reise an, der Reisende befestigt seinen Karabiner hinter seinem Sattel und besteigt an der Thüre des Wirthshauses sein Pferd; der braune Bauer treibt seine zaudernden Thiere an, die mit Körben sonniger Früchte und frischen thaubedeckten Gemüßen beladen sind, denn bereits eilen die sorglichen Hausfrauen auf den Markt.
Die Sonne ist aufgegangen und funkelt das Thal entlang, das durchsichtige Laub der Bäume überglänzend. Die Morgenglocken klingen harmonisch in der reinen hellen Luft und verkündigen die Stunde der Andacht. Der Maulthiertreiber hält mit seinen belasteten Thieren vor der Kapelle, steckt seinen Stab hinten in seinen Gürtel und tritt, den Hut in der Hand, und sein kohlschwarzes Haar glättend, ein, um eine Messe zu hören, und bringt sein Gebet um eine glückliche Fahrt durch die Sierra dar. Und nun schleicht sich mit Feentritten die holde Sennora fort, mit der zierlichen Basquinna angethan, den rastlosen Fächer in der Hand, und das dunkle Auge unter der anmuthig gefalteten Mantilla hervorglühend: sie sucht eine der besuchtesten Kirchen auf, um ihr Morgengebet darzubringen; aber die zierliche Toilette, der niedliche Schuh, das Spinnengewebe des Strumpfes, die schön geflochtenen Rabenlocken, die frisch gepflückte Rose, welche wie ein Edelstein aus ihnen herausglänzt, zeigen, daß die Erde die Herrschaft über ihre Gedanken mit dem Himmel theilt. Laß sie nicht aus dem Auge, sorgfältige Mutter, oder jungfräuliche Tante, oder wachsame Duenna, wer du immer seyn magst, die hinter ihr geht.
Während der Morgen vorschreitet, vermehrt sich das Geräusch der Arbeit auf allen Seiten; die Straßen wimmeln von Menschen, Rossen und Saumthieren und es herrscht ein Summen und Brausen, gleich den Wogen des Meeres. Wie die Sonne sich dem Mittag nähert, neigt sich allgemach der Lärm und das Geräusch; wenn die Sonne am höchsten steht, tritt eine Pause ein. Die keichende Stadt versinkt in Schlaffheit und mehrere Stunden herrscht eine allgemeine Ruhe. Die Fenster sind geschlossen, die Vorhänge niedergelassen; die Bewohner haben sich an die kühlsten Orte ihrer
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