Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Behausung zurückgezogen; der gemästete Mönch schnarcht in seinem Schlafgemach; der sinnige Lastträger liegt neben seiner Bürde auf dem Pflaster hingestreckt; der Bauer und der Arbeiter schlafen unter den Bäumen der Alameda, von dem schwülen Zirpen der Heuschrecke eingewiegt. Die Straßen sind verlassen, wenn man den Wasserträger ausnimmt, der das Ohr mit dem Anpreißen der Verdienste seines krystalnen Getränkes, »kälter als der Bergschnee,« erfrischt.
Wenn die Sonne sich senkt, belebt sich allmählig alles wieder und wenn die Vesperglocke ihren verhallenden Klang hören läßt, scheint sich die ganze Natur zu freuen, daß der Tyrann des Tages gefallen ist. Jetzt wird die Freude laut, denn die Städter strömen heraus, die Abendluft einzuathmen, und schwärmen während der kurzen Dämmerung in den Laubgängen und Gärten des Darro und des Xenil umher.
Beim Anbruch der Nacht nimmt das wandelbare Schauspiel einen neuen Charakter an. Licht um Licht flimmert allgemach auf; hier eine Kerze in einem Balkonfenster, dort ein frommes Lämpchen vor dem Bilde eines Heiligen. So taucht die Stadt nach und nach aus dem über ihr waltenden Dunkel auf und glänzt von zerstreuten Lichtern, wie das gestirnte Firmament. Jetzt erklingt aus Höfen und Gärten, aus Straßen und Gassen der Ton unzähliger Guitarren und der Schall der Castagnetten und verschmilzt auf dieser luftigen Höhe zu einem leisen aber allgemeinen Concerte. Den Augenblick genießen, ist das Glaubensbekenntniß des fröhlichen und verliebten Andalusiers und er übt dasselbe nie eifriger aus als in den balsamischen Sommernächten, wo er seine Geliebte mit Tanz, Liebesliedern und der rührenden Serenade zu kirren strebt.
Ich saß eines Abends auf dem Balkon und freute mich des leichten Lufthauchs, der die Seite des Hügels entlang durch die Gipfel der Bäume rauschte, als mein guter historiographischer Mateo, welcher mir zur Seite war, auf ein geräumiges Haus in einer unbekannten Straße der Albaycia deutete und davon, so weit ich mich erinnern kann, folgendes Geschichtchen erzählte.
Das Abentheuer des Maurers.
Es war einmal ein armer Maurer zu Granada, der alle Fest-und Feiertage und oben drein den blauen Montag feierte und doch, aller Frömmigkeit ungeachtet, ärmer und ärmer wurde und für seine zahlreiche Familie kaum Brod auftreiben konnte. Einst Nachts wurde er durch ein starkes Klopfen an der Thür aus seinem ersten Schlaf aufgestört. Er öffnete die Thüre und sah einen langen, magern und skeletartig aussehenden Geistlichen vor sich.
»Hört, guter Freund,« sagte der Fremde; »ich habe wahrgenommen, daß Ihr ein guter Christ seyd und daß man Euch vertrauen kann; wollt Ihr euch noch in dieser Nacht einem Dienste unterziehen?«
»Von ganzem Herzen, Sennore Padre, vorausgesetzt daß ich gehörig bezahlt werde.«
»Dies soll geschehen; Ihr müßt Euch aber die Augen verbinden lassen.«
Der Maurer hatte nichts dagegen einzuwenden; der Geistliche zog ihm daher eine Kapuze über und führte ihn durch viele holperige Gäßchen und sich windende Durchgänge, bis sie vor dem Thor eines Hauses anhielten. Der Geistliche nahm einen Schlüssel hervor, drehte ihn in einem knarrenden Schlosse und öffnete etwas, das wie eine schwere Thüre klang. Sie traten ein, das Thor wurde geschlossen und verriegelt und der Maurer durch einen hallenden Gang und geräumige Säle in einen innern Theil des Gebäudes geführt. Hier wurde die Hülle von seinen Augen genommen und er sah sich in einem Patio, oder Hof, den eine einzige Lampe schwach beleuchtete. In der Mitte war das vertrocknete Becken eines alten maurischen Brunnens, unter welchem der Priester ihn ein kleines Gewölbe aufführen hieß; Stein und Mörtel waren zu diesem Zweck zur Hand. Der Maurer arbeitet sonach die ganze Nacht, ohne jedoch das begonnene Werk zu vollenden. Grade vor Tagesanbruch legte der Geistliche ihm ein Goldstück in die Hand, verband ihm die Augen wieder und führte ihn in seine Wohnung zurück.
»Seyd Ihr gesonnen,« sagte er, »wieder zu kommen und eure Arbeit zu vollenden?«
»Sehr gern, Sennor Padre, vorausgesetzt, daß ich wieder so gut bezahlt werde.«
»Gut denn, Morgen um Mitternacht werde ich Euch wieder holen.«
So geschah es und das Gewölbe wurde fertig.
»Jetzt,« sagte der Mönch, »müßt Ihr mir die Körper herbringen helfen, welche in diesem Gewölbe begraben werden sollen.«
Bei diesen Worten sträubte sich des armen Maurers Haar empor; er folgte dem
Weitere Kostenlose Bücher