Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
an seiner persönlichen Demüthigung Theil nehmen, oder den Blicken der Sieger blosgestellt werden möchten. Indem ich dem Wege dieser traurigen Schaar königlicher Verbannten folgte, kam ich an den Fuß einer Kette öder und trauriger Höhen, welche den Saum des Alpuxarra Gebirgs bildet. Von dem Gipfel einer dieser Höhen warf Boabdil seinen letzten Blick auf Granada; er trägt den ausdrucksvollen Namen seiner Leiden, la Cuesta de las Lagrimas, (Thränenhügel). Jenseits desselben windet sich ein sandiger Weg durch eine rauhe, freudlose Oede, welche dem unglücklichen König doppelt trübselig erschienen seyn mag, da sie zur Verbannung führte.
Ich spornte mein Pferd auf die Höhe eines Felsen, wo Boabdil seinen letzten schmerzvollen Ruf ausstieß, als er seine Augen von dem letzten Abschiedsblick abwandte: er heißt jetzt noch El ultimo Suspiro del Moro, (der letzte Seufzer des Mauren). Wer wundert sich über seinen Schmerz, sich aus einem solchen Königreich und einer solchen Wohnung verbannt zu sehen? Mit der Alhambra schien er alle Ehren seines Stammes allen Ruhm und alle Freuden des Lebens aufzugeben.
Hier war es auch, wo sein Kummer durch den Vorwurf seiner Mutter, Ayxa, welche ihm so oft in den Zeiten der Gefahr beigestanden, und sich vergeblich bemüht hatte, ihm ihren eigenen entschlossenen Geist einzupflanzen, noch verbittert wurde. »Du thust wohl,« sagte sie, »daß du das wie ein Weib beweinst, was du nicht wie ein Mann vertheidigen konntest,« – eine Rede, welche mehr von dem Stolz der Fürstin als der Zärtlichkeit der Mutter zeugt.
Als der Bischof Guevara Karl dem Fünften diese Anekdote erzählte, stimmte der Kaiser in den Ausdruck der Verachtung über die Schwäche des schwankenden Boabdils ein. »Wäre ich Er, oder Er ich gewesen,« sagte der stolze Herrscher, »so hätte ich die Alhambra eher zu meinem Grabe gemacht, als ich ohne ein Königreich in der Alpuxarra gelebt hätte.«
Wie leicht haben die, welche in Macht und Glück leben, dem Besiegten Heldenmuth predigen! wie wenig begreifen sie, daß das Leben selbst an Werth bei dem Unglücklichen steigen kann, dem nichts als das Leben bleibt.
Der Balkon.
In dem Gesandtensaal, am mittleren Fenster, ist ein Balkon, dessen ich bereits erwähnt habe; er springt wie ein Käficht auf der Fläche des Thurms hoch, mitten in der Luft, über den Wipfeln der Bäume hervor, welche an der steilen Hügelseite wachsen. Er dient mir zu einer Art Warte, wo ich mich oft niedersetze, nicht nur den Himmel oben, sondern auch die Erde unten zu beobachten. Neben der prächtigen Aussicht über Berg Thal und Vega, welche er überschaut, eröffnet sich dem Blicke auch unmittelbar unten eine geschäftige kleine Scene des menschlichen Lebens. An dem Fuße des Hügels ist eine Alameda, oder öffentlicher Spaziergang, welcher, obgleich er nicht so modisch ist, wie der neuere und glänzendere Pasco an dem Xenil, sich doch eines malerischen und manchfaltigen Besuchs erfreut. Hierher begeben sich die Leute höhern Standes in den Vorstädten, so wie Priester und Mönche, welche des Appetites und der Verdauung wegen spazieren gehen, Majos und Majas, die Stutzer und Schönen der niedern Klassen, in ihren andalusischen Kleidern, großthuerische Schleichhändler und zuweilen, auf geheime Verabredung, halbvermummte und mysteriöse Müßiggänger aus den höheren Ständen.
Es ist ein bewegtes und buntes Gemälde spanischen Lebens und Charakters, an dessen näherer Bekanntschaft ich mich erfreue; und wie der Naturforscher sein Mikroscop hat, um ihn bei seinen Nachforschungen zu fördern, so habe ich ein kleines Taschen-Telescop, welches mir die Gesichter der bunten Gruppen so nahe bringt, daß ich manchmal glaube, ich könnte nach dem Spiel und Ausdrucke ihrer Züge ihre Unterhaltung errathen. Ich bin auf diese Art gewissermaßen ein unsichtbarer Zuschauer, und kann, ohne meine Einsamkeit zu verlassen, mich in einem Augenblick mitten in die Gesellschaft stürzen, – ein seltner Vortheil für Jemand, der etwas scheuen und stillen Charakters ist und gern das Drama des Lebens beobachtet, ohne ein Theilnehmer auf der Bühne zu werden.
Unter der Alhambra liegt eine bedeutende Vorstadt, welche die enge Höhlung eines Thales ausfüllt und sich an dem entgegengesetzten Hügel der Albaycia hinauf erstreckt. Viele Häuser sind in dem maurischen Style, um Patios, oder Höfe, erbaut, die von Brunnen gekühlt und dem Himmel offen sind; und da die Bewohner den größern Theil ihrer Zeit
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