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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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    Prolog
    Der Auerhahn hatte falsche Erwartungen. Noch dachte er, es würde ein schöner Tag werden. In den frühen Morgenstunden flog er frohen Mutes durch sein Tal. Er war kein guter Flieger, vor allem tat er sich mit dem Starten schwer, aber er hatte Freude daran. Einige Bergziegen beobachteten ihn, sie wunderten sich über das merkwürdige Pfeifen in der Luft, nahmen ihn aber ansonsten nicht weiter zur Kenntnis. Der scheue Auerhahn war hier zu Hause. Nur selten verirrten sich Menschen in dieses abgelegene Tal der Ötztaler Alpen in Südtirol, irgendwo zwischen der Etsch, dem Passeier- und dem Schnalstal. Der Auerhahn, der auf Italienisch den schönen Namen «Urogallo» trägt, nahm seine übliche Flugroute. Diese führte ihn über ein rotes Bündel am Boden, das er vor einigen Tagen entdeckt hatte. Er war dort auch schon mal gelandet und hatte es genauer inspiziert. Der Geruch hatte ihm nicht gefallen.

    Jetzt saß der Auerhahn im Geäst eines Baumes. Der Vogel war noch jung, aber schon ziemlich groß, und er sah ausgesprochen schön aus. Mit schiefergrauem Gefieder, einer Brust, die metallisch grün schimmerte, und mit roten Blättchen über den Augen. Er übte sich gerade im Fächern seines Schwanzes und im Balzgesang, den Kopf stolz in die Höhe reckend. Da hörte er ein merkwürdiges Klappern im Tal, das rasch näher kam. Der Auerhahn hasste es, gestört zu werden, da konnte er aggressiv werden. Aber das stakkatoartige Geräusch war so fremdartig und bedrohlich, dass er beschloss, die Flucht anzutreten. Er verließ seinen Baum und verschwand im Unterholz.

    Das unangenehme Geräusch kam von Trekkingstöcken aus Aluminium. Sie wurden von einer Gruppe von Bergwanderern zum Einsatz gebracht, die durch das Tal zogen. Die Stöcke sollten die Trittsicherheit verbessern und die Gelenke entlasten. Vor allem waren sie laut und störten die Bergidylle. Aber da es sich bei den Touristen um Senioren handelte, sie waren aus Westfalen angereist, schienen die Trekkingstöcke unverzichtbar. Ihr Südtiroler Bergführer, hinter dem sie hermarschierten, hatte keine. Steff, so hieß er, war froh, dass die Gruppe in seinem Rücken keine Gedanken lesen konnte. Hatte er doch gerade grinsend überlegt, ob das Klappern ausschließlich von den Stöcken kam – oder ob auch ausgeschlagene Gelenke und künstliche Hüftpfannen ihren Beitrag zur Geräuschkulisse leisteten. Ab und zu musste er stehen bleiben, um seinen kurzatmigen Gästen eine Ruhepause zu gönnen. Geduldig beantwortete er dann ihre Fragen. Warum sie noch keinen Enzian gesehen hätten? Welcher Berg höher sei, der Ortler oder der Langkofel? Ob es hier früher einen Schmugglerpfad gegeben habe?

    «Ihr kennt’s net so miad sein, weiter geht’s!», gab Steff das Kommando zum erneuten Aufbruch. Die Gruppe setzte sich in Bewegung, das Klappern begann von neuem. Nach einigen Minuten kniff Steff die Augen zusammen. Er hatte links am Hang, etwas abseits von ihrem Pfad, etwas Rotes erspäht. «Bleibt’s a mal stehn», sagte er, «i geh do kurz aui.»
    «Er geht da hinauf», übersetzte ein sprachgewandter Westfale ins Hochdeutsche und deutete zu dem roten Etwas. Entgegen Steffs Anweisung folgten ihm einige neugierige Senioren auf dem Fuße. Und so kam es, dass sie hinter ihm standen, als Steff die Leiche eines Mannes entdeckte, der merkwürdig verrenkt war, eine rote Windjacke trug, eine ebenfalls rote Hose und solide Wanderstiefel. Er schien schon länger hier zu liegen – was sich nicht nur geruchsmäßig bemerkbar machte, sondern auch an der arg ramponierten Bekleidung erkenntlich war. Nicht zu reden von seinem Gesicht … Ein Wandersmann gab würgende Geräusche von sich, drehte sich weg und übergab sich. Steff entdeckte einige Tierspuren in unmittelbarer Nähe des Leichnams.
    Die am Pfad Zurückgebliebenen wurden unruhig. Was sie denn gefunden hätten, riefen sie fragend den Hang hinauf.
    «Eine Leiche», kam es von oben zurück.
    «Eine Leiche?»
    «So was wie der Ötzi, die Mumie vom Similaungletscher?», fragte einer.
    «Kommen wir jetzt in die Zeitung?», freute sich ein anderer.
    «So ein Blödsinn, die Leiche trägt eine synthetische Jacke mit Kapuze und moderne Stiefel, das ist keine Gletschermumie.»
    «Schade …»
    Steff kniete vor der Leiche, öffnete den Reißverschluss an der Gesäßtasche, zog eine Geldbörse heraus, entnahm ihr eine Scheckkarte und las den Namen. Dann stand er auf und richtete den Blick nach oben. Eine steile

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