Die alte Villa (German Edition)
Gedanken an einen soeben verstorbenen Menschen, die damit verbundene emotionale Aufladung, sowie der in ihr wohnenden Demut..
Wie von einem Blitz wurde sie von der Erkenntnis getroffen und aus dem herannahenden Schlaf gerissen.
In Gänze durchleuchtet von einem elektrisierenden Allwissen, war sie mit einem Schlag verbunden mit der Seele der Welt, vereinigt mit dem Bewusstsein des ganzen Universums!
Sie war absolut erstaunt darüber, wie viel Sinnhaftes in einem einzigen Gedanken enthalten sein konnte!
Ein Strahlen erfüllte sie. Und dieses Strahlen kam aus ihrem innersten Selbst.
Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Gerade wusste sie es doch noch, warum ihre Tante nicht verschwunden war und warum sie ihr Leben heute fast noch mehr bereichert, als sie es zuvor je vermocht hätte. Ihr Körper, ja, der war natürlich gestorben, nicht aber ihre Seele, ihr Geist. Von einem zum nächsten Moment war die Erkenntnis, die sie so allwissend durchleuchtet hatte, schon wieder dabei, zu entschwinden. Sie konnte sie noch fühlen, aber nicht mehr erklären. Und doch war sie weiterhin in ihr.
Ist das denn wirklich wahr? Kann ich denn wirklich mit einer Verstorbenen weiterhin verbunden sein?
….Du kannst.. flüsterte es in ihren Gedanken.
Entspannt schlief sie ein.
Nur wenige Stunden später klingelte der Wecker erbarmungslos laut.
Mühsam quälte sich Rebecca aus ihrem Bett.
Ihr fiel das Erlebnis der erleuchtenden Einsicht in ein höheres Wissen ein.
Es schien ihr nun so weit weg zu sein und weit weniger wichtig und eindrucksvoll, wie sie es noch wenige Stunden zuvor, mitten in der Nacht, empfunden hatte.
Ihr Kopf dröhnte nach dieser unruhigen Nacht mit nur wenigen Stunden Schlaf. Hinzu kam noch der Umstand ihrer eigenen Geburtstagsfeier gestern Abend, bei der sie 2 oder 3 Gläser Wein getrunken hatte.
Mit schweren schleppenden Schritten erreichte sie das Bad und traf dort auf ihren Vater.
„Na, mein Schätzchen, bist du ausgeschlafen?“ fragte dieser, während er sie sanft am Kinn kitzelte.
„Nein , überhaupt nicht. Mir geht’s furchtbar.“
Heinrich Stein empfand es wohl als vollkommen normal, dass es Teenagern morgens immer schlecht gehen musste, wenn sie zur Schule gehen sollten. Er lachte und fuhr dann mit seiner Rasur fort.
Es war beruhigend, den Vater lachen zu sehen, denn auch ihn hatte der Tod seiner einzigen Schwester tief getroffen. Tagelang wirkte er auf seine Umgebung wie versteinert.
Heinrich Stein war ein Mann von recht korpulenter Statur. Wenn man ihn reizte, konnte er ziemlich ungemütlich werden, was vermutlich vom hohen Blutdruck her rührte oder vielleicht auch umgekehrt zu diesem geführt haben könnte.
An diesem Morgen dauerte es endlos, bis Rebecca im Bad fertig war. Es war fast so, als könnte sie sich nur in Zeitlupe bewegen und beim kurzen Frühstück in der winzigen Küche der Steins war es nicht anders.
Beim Blick auf die Uhr, erstarrte sie. Punkt 8 Uhr!! Und in 15 Minuten schon fing der Unterricht an!
Ihren Schulrucksack hatte sie auch noch nicht gepackt. In Windeseile suchte sie Bücher und Hefte zusammen, schnappte sich ihre Jacke und rannte hinaus.
Mist, dachte sie, als sie auf den Hof vor das große Mehrfamilienhaus hinaus trat. Mein Fahrrad..!
Heinrich Stein arbeitete beim Amt für öffentliche Ordnung. Bei seinen Arbeitszeiten gestattete man ihm eine gewisse Flexibilität und so ließ er es sich nicht nehmen, morgens das Fahrrad seiner Tochter aus dem Keller nach oben zu tragen, wohl wissend, dass diese des Morgens häufiger etwas spät dran war. Doch hatte er dies heute anscheinend nicht mehr geschafft oder schlichtweg vergessen..
Rebecca hastete die Stufen in den Keller hinunter und wollte rasch nach ihrem Rad greifen, das sie gestern Abend an seinen üblichen Platz in eine Nische unter der Kellertreppe gestellt hatte. Doch fand sie es dort nicht vor!
Sie spürte, wie sie wütend wurde.
„ Das darf doch nicht wahr sein!“ Rolf, dieser Volltrottel hat es wieder einmal versteckt!
Laut fluchend durchsuchte sie Kellerraum für Kellerraum und endlich fand sie ihr Rad in der hintersten Ecke einer wenig genutzten Kellernische. Davor standen mindestens drei uralte Räder von Mitbewohnern des Mietblocks, die sie vermutlich schon seit Jahren nicht mehr benutzt hatten. Die musste sie zuerst alle wegstellen, bis sie an ihres herankam.
Wenn ich dich erwische, Rolf, dann kannst du dich warm anziehen!
Wutschnaubend trug sie ihr Fahrrad die steilen
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