Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Amazonen von Vanga

Die Amazonen von Vanga

Titel: Die Amazonen von Vanga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
werde, ehe ich für immer in deine Dienste trete.«
    Niemand achtete auf Mashagima, die währenddessen ihre Maske abnahm. Das Antlitz, das sich dahinter verbarg, war längst nicht mehr das einer Frau. Ein Schwerthieb mochte einst Nase, Lippen und die ganze rechte Gesichtshälfte abgeschlagen haben. Man konnte Knochensplitter sehen und wildes Fleisch, das zu einem bläulich gefärbten Klumpen angeschwollen war.
    »Wenn ihr diesen Anblick ertragt«, rief die Meisterin, »seid ihr reif für den Kampf - egal, aus welchen Beweggründen ihr die Schwerter führen mögt.«
    Alles schien den Atem anzuhalten, selbst der Wind schwieg in diesem Moment.
    Aber Zaem streckte die Arme aus, zog Burra zu sich heran, und küßte sie auf die Stirn. In diesem Augenblick war die Amazone zu keiner Empfindung mehr fähig. Es schien ihr, als werfe sie einen Blick in die Ewigkeit.
    »Deine Beweggründe sind edel«, sagte Zaem. »Deshalb sei die Frist dir gewährt. Doch kann ich dir und deinen Begleiterinnen nur zwei Sommer zugestehen. Kehrt ihr bis dahin nicht zurück, soll mein Fluch euch treffen.«
    Wie Feuer brannte der Zaubermutter Kuß auf Burras Haut. Sie konnte nicht anders, als mit der Hand über ihre Stirn zu wischen. Als sie dann auf ihre Finger sah, klebte Blut an ihnen.
    Von der See rollte Donner heran, der sich in vielfachem Echo an der Felsküste brach. Ein greller Blitz zuckte auf und schlug in unmittelbarer Nähe ein. Die Erde schien zu beben, als Zaem ihre Arme wieder senkte.
    Burra hatte die Warnung verstanden.
     
     
    3.
     
    Was ist Leben anderes als stete Wandlung, als leidenschaftlicher Kampf mit den unbegreiflichen Mächten der Vorsehung? - Eine endlose Reihe von Illusionen, deren einzige Wirklichkeit der Tod ist.
    Des Menschen Dasein ist wie eine Flamme, die sich selbst verzehrt. Es wirklich meistern, heißt, den reißenden Strom von Blut und Tränen, der unseren Weg säumt, trockenen Fußes zu überqueren.
    (Aus der Lehre der Vervollkommnung)
     
     
    *
     
    Kalt und düster wirkten die Mauern von Anakrom. Von ihnen ging etwas aus, das den Tod verhieß.
    Zwischen den Zinnen wucherte Efeu. Der Burgfried war in sich zusammengestürzt und hatte mit seinen mächtigen Quadern eine riesige Bresche in die Außenmauer geschlagen. Auch der einstige Wassergraben bildete keinen wirklichen Schutz mehr, da er zum größten Teil verschlammt und von Schlingpflanzen überwuchert war.
    In jähem Zorn ballte Burra die Fäuste; ihr Gesicht wurde zur Fratze.
    »Das soll er büßen!« fauchte sie.
    Zwar fehlte ihr die Erinnerung daran, wie es hier früher ausgesehen hatte, denn sie war fünf gewesen, als die Hexe Sosona sie mit sich genommen, doch dieses Bild des Zerfalls, das sich ihr darbot, konnte erst wenige Sommer alt sein.
    Die hölzerne Brücke, die zum Burghof führte, war hochgezogen. Burra legte die Hände vor den Mund und forderte laut, sie und ihre Begleiterinnen einzulassen.
    In Gedanken verfluchte sie die Männer, die schwach waren und heimtückisch. Sie taugten zu nichts, nicht einmal zu den einfachsten Arbeiten. Sie hatten keine Muskeln, waren klein und zudem schlechte Kämpfer. Und doch brachten sie es fertig, die Frau, die ihnen ein wenig mehr Freiheit ließ, als sie bedurften, zu vergiften.
    Burra spie aus.
    »Wer auch immer Anakrom bewohnt!« brüllte sie aus Leibeskräften, »Laß uns ein, oder du wirst dir wünschen, niemals geboren worden zu sein!«
    Gaida war gut zu ihrem Mann gewesen, hatte ihn sogar in ihrer Kemenate schlafen lassen, was mehr als nur ein Vertrauensbeweis war. Er hatte es ihr schlecht gelohnt. Nachdem sie unter unsagbaren Qualen ihr Leben lassen mußte, verschwand er mit einer Hofdame und dem größten Teil des Familienschatzes. Fünf Sommer lag das nun zurück - eine lange Zeit, während der vieles geschehen sein konnte. Aber Jodrel lebte noch, das spürte Burra so deutlich, als stünde er in diesem Moment neben ihr. Von Mashagima hatte sie vor ihrem Aufbruch nicht nur das zweite Schwert erhalten und ihre Ausrüstung, sondern auch diese Geschichte erfahren.
    »Bei allen Dämonen der Schattenzone«, kreischte sie. Laßt die Brücke herunter oder wir rennen die Mauern ein!«
    Drüben, mehr als fünfzig Schritte entfernt, wurde es endlich lebendig. Hinter einer schmalen Scharte war eine flüchtige Bewegung.
    »Wer seid ihr?« erklang eine Fistelstimme. »Fremde haben hier nichts zu suchen. Verschwindet, oder ich lasse siedendes Öl auf euch gießen.’’
    »Ich bin Burra!« röhrte die Amazone.

Weitere Kostenlose Bücher