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Die Amazonen von Vanga

Die Amazonen von Vanga

Titel: Die Amazonen von Vanga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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Herrin ist tot«, sagte die Amazone mit unbarmherziger Härte. »Ihr eigener Mann hat sie vergiftet, das müßtest du doch wissen. Wo ist Jodrel jetzt? Sage es mir!«
    »Tot«, nickte der Alte. »Ja, ja… Wer bist du? Wer seid ihr alle, wie kommt ihr hier herein?« Er schlotterte am ganzen Körper.
    Burra erschrak, als sie ihn ansah. Dendhor wirkte in diesem Augenblick wie eine uralte Mumie, ein Relikt längst vergangener Zeiten. Und in gewissem Sinne mochte dem auch so sein. Er war hager und eingefallen, über seine Wangenknochen spannte sich die Haut wie rissiges, vergilbtes Pergament. Die Augen, die tief in ihren Höhlen lagen, besaßen einen beängstigenden, flatterhaften Blick.
    »Die Einsamkeit hat seinen Geist zerstört«, bemerkte Gudun.
    Dendhor starrte Burra unentwegt an. Seine Arme streckten sich ihr entgegen, die Finger verkrampften sich wie die Krallen eines Dämons.
    »Ich bin Gaidas Tochter«, sagte Burra leise. Dennoch hallte ihre Stimme durch den Saal.
    Der Alte zuckte zusammen, verhielt seinen Schritt für einen Augenblick, schüttelte sich dann und tappte unbeholfen weiter.
    »Jodrel war mein Vater.«
    »Ja, ja, ich entsinne mich«, kicherte Dendhor. »Du willst also Burra sein, die kleine Burra, das Mädchen, das auf meinen Knie geritten ist, als sie noch…«
    »Katsmura«, rief die Amazone in jäher Erkenntnis aus. »So nannte ich dich, nach dem Braunen, der in unserem Stall stand.«
    …und den du nicht striegeln durftest«, führte Dendhor ihre Rede weiter, »weil er dich einmal getreten hatte.« Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust. »Du mußt wirklich Burra sein. Keine andere könnte dies wissen.«
    Für einen kurzen Moment sah es so aus, als wolle er sie in seine Arme nehmen. Dann schien er zu begreifen, daß aus dem kleinen Mädchen von einst längst eine Frau geworden war, die ihm mit einem einzigen Händedruck die Knochen brechen konnte.
    Als ihn nur noch drei Schritte von ihr trennten, wandte er sich um, hastete zu einem mit kunstvollen Einlegearbeiten verzierten Schrank und entnahm diesem eine kleine Schatulle, die etwa die Größe seiner Handfläche besaß.
    »Dies gehört dir, Burra. Gaida von Anakrom bat mich, es sicher aufzubewahren und ihrer Tochter auszuhändigen, sollte sie eines Tages in die Burg ihrer Mutter zurückkehren.«
    Der Alte reichte ihr das völlig verstaubte Kästchen. Allem Anschein nach war es tatsächlich seit mindestens fünf Sommern nicht von seinem Platz genommen worden.
    Als Burra darüber wischte, kam unter dem Staub ein Bildnis zum Vorschein, das neben dem Familienwappen das Antlitz einer reifen, grob knochigen Frau zeigte.
    »Öffne du es, Dendhor. Deine Treue über lange Jahre hinweg soll belohnt werden.«
    Vorsichtig, als handle es sich um einen unermeßlichen Schatz, nahm er das hölzerne Kleinod wieder an sich, löste behutsam die beiden Haken, die den Deckel geschlossen hielten, und hob diesen langsam an. Seine Hände zitterten vor Erregung; sein Atem ging schnell und keuchend.
    Auf purpurnem Samt ruhte ein Ring, dessen einziger Stein in grünem Feuer glühte.
    »Das Licht derer von Anakrom«, murmelte Dendhor ergriffen. »Es heißt, daß dieser Kristall in Zeiten größter Gefahr seine Trägerin erretten soll.«
    »Und doch hat er Gaida nicht am Leben erhalten. Ich bin nun die einzige, die einen Anspruch darauf hat«, ließ Burra wissen. »Gib ihn mir.«
    Mit fahrigen Fingern nahm der Alte den Ring auf. Ein grünes Leuchten umfloß seine Hand und zeichnete harte Schatten.
    »Vielleicht gehörte er einst einer Hexe…« Dendhor stockte. Plötzlich schien er keine Luft mehr zu bekommen. Schweiß perlte auf seiner Stirn, in seine Augen trat der gläserne Glanz hohen Fiebers.
    Haltlos sank er vornüber auf die Knie, die heftig zitternde Rechte mit dem Ring von sich streckend. Ein Ausdruck ungläubigen Erstaunens huschte über sein Gesicht, wich jedoch schnell zutiefst empfundener Verzweiflung.
    Dendhor wußte, daß er sterben mußte. Schon begann seine Hand sich schwarz zu färben, entstanden Geschwüre, die innerhalb weniger Atemzüge aufplatzten und das Fleisch bloßlegten.
     »Gift!« stellte Burra ohne erkennbare Regung fest. »Es war für mich bestimmt.«
    »Du solltest an seiner Stelle zugrunde gehen«, nickte Gorma.
    »Aber wer…?«
    »Jodrel«, krächzte der Alte. »Nur er konnte den Ring ver…« Seine Worte verstummten im schmerzerfüllten Aufbäumen. Burra sprang hinzu und fing ihn auf, bevor er stürzte. Dendhors Blick irrte unstet

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