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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen
Autoren: Hedwig Appelt
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kühle Blicke ließen die attraktiven Amazonenkörper unangreifbar werden.
    Das Bild der fernen Amazonen, das die südamerikanischen erstmals repräsentiert hatten, schob sich über das der leibhaftigen und verlangte auch nach einem anderen Medium der Darstellung. Die Fotografie als gebannter Blick eignete sich dafür viel besser als der lebensnahe Film.

    Die fotografischen Arbeiten von Man Ray, Robert Mapplethorpe und Helmut Newton deuten weibliche Schönheit als ferne erotische Macht. Newtons bekannte Serie der „Big Nudes“, die explizit als „Amazonen“ vorgestellt werden, führt Hyperfrauen vor, die ihren perfekten Körper interesselos dem Objektiv präsentieren und den Blick der Männer herausfordern, ohne ihn zu erwidern. Makellose, zu Kunstwerken erstarrte Körper, die nicht berührt werden dürfen.
    „Amazon-women“ nennen sich heute noch amerikanische Bodybuilderinnen, die ihren Körper zum Kunstwerk umformen. Mit der Weltmeisterin Lisa Lyon arbeitete der Fotograf Robert Mapplethorpe in den 1980er Jahren zusammen und bildete die Bodybuilderin mit Pfeil und Bogen sowie nackter Brust als Amazone ab. Die Fotos zeigen eine schlanke, starke, schöne Frau, die ihre Weiblichkeit bewusst in Szene setzt.
    Wie ist diese Pose zu lesen? Das Foto sagt, dass diese Amazone ihren Körper nicht etwa trainiert, um Männern ähnlich zu sein oder ihnen zu gefallen. Ihr Blick sucht ein anderes Ziel als den Betrachter. Sie konzentriert sich auf die Flugbahn des Pfeils, der starke Armmuskeln braucht, um weit zu fliegen und sein Ziel zu erreichen.
    Wer das narzisstische Spiel zwischen Bodybuilderin, Fotograf und Betrachter zu Ende denken mag, wird zu dem Schluss kommen, |165| dass Lisa Lyons perfekter Körper der Weg und das Ziel in einem ist.
    Mischen sich in ihrem Posing noch die Bilder der leibhaftigen (afrikanischen) und fernen (südamerikanischen) Amazonen, insofern der Darstellung des Körpers ein hoher Stellenwert zukommt, so wird in einem 20 Jahre jüngeren Relaunch dieses Fotos der Körper auf seine Aura reduziert. Kraft und Sinnlichkeit einer Frau erscheinen von allem Materiellen abstrahiert.
    Dieses neue Bild ist ein Werbefoto für ein Parfum namens Pure der Marke Jil Sander. Es präsentiert die ferne Frau in Reinkultur – eben „Pure“. Sie ist jung, schön und durch minimale Zeichen als Amazone kenntlich gemacht. Vom Bogen ist auf dem Foto nur eine durchscheinend dünne Sehne und ihr Schattenwurf über der Brust zu sehen, doch Perspektive und Blick sind die gleichen wie bei Lisa Lyon. Vom Betrachter abgewandt, konzentriert sich die Frau ganz auf den Pfeil, der schon außerhalb des Fotos schwirrt. Dieser imaginäre Pfeil, der schnell, frei, aller Erdenschwere enthoben denjenigen tödlich trifft, der sich diesem Höhenflug in den Weg stellt, symbolisiert das Wesen der gefährlich schönen, begehrenswerten Frau, die einen Hauch von Amazone trägt, wenn sie „Pure“ benutzt.
    „Reduce to the Max“ heißt die Formel für solche Werbeauftritte. Pure zeigt beispielhaft, wie aus dem Kalten Krieg der Geschlechter, den auf ihre Art auch die Big Nudes und Lisa Lion geführt haben, die Frau als Siegerin hervorgeht. Aber Vorsicht, dieses Frauenmodell gehört in die Welt der Werbung!
    Hier haben starke, selbstbestimmte Frauen, wie die Amazonen sie in Reinkultur vorstellen, einen verführerischen Mehrwert und werden gerne als Imageträgerinnen eingesetzt. Mode von Dior, Gaultier oder Sonia Rykiel stellt Le Monde unter dem Titel „Der Winter der Amazonen“ vor. Pepsi lässt für einen Werbespot Britney Spears, Pink und Beyoncé als leicht bekleidete Amazonen antreten. Und die Zeitschrift Elle präsentiert im Dezember 2007 „Schmuck für Amazonenprinzessinnen schön schlau stark“.

    |166| Medien und Marken nutzen ihr Image, weil sie wissen, dass im Namen der Amazonen immer noch ein uneingelöstes Versprechen schlummert und eine breite Zielgruppe mit dem Kauf eines bestimmten Produktes hofft, dieses Versprechen eingelöst zu bekommen. Da die Marketingexperten und -expertinnen Seismographen für gesellschaftliche Entwicklungen sind und sowohl den Zeitgeist als auch kommende Trends erspüren müssen, sind sie wohl die besten Gradmesser für die Aktualität der Amazonen. Wenn sie publik machen, dass Amazonen schön, schlau und stark sind, dann scheint es wirklich so zu sein, dass das antike Vorbild für die emanzipierte, erfolgreiche Frau von heute Züge trägt, die immer noch nachahmenswert sind.
    Man muss die
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