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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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vier gleichseitige Dreiecke.
     
    Da ist es, das östliche Ende der Erde. Ein verblüffender Ort.
    Nichts Natürliches, nichts Irdisches. Ganz anders, als ihn sich Nr. 103 683 vorgestellt hat. Der Rand der Welt ist schwarz, nie zuvor hat sie etwas derart Schwarzes gesehen! Das ist hart, glatt, lauwarm und riecht nach Mineralöl.
    Statt eines vertikalen Ozeans finden sie Luftströmungen von unglaublicher Heftigkeit vor.
    Lange versuchen sie zu verstehen, was hier vorgeht. Von Zeit zu Zeit ist ein Vibrieren zu spüren. Seine Intensität nimmt exponentiell zu. Dann plötzlich erzittert der ganze Boden, ein starker Wind hebt ihre Antennen an, ein Höllenlärm läßt die Trommelfelle ihrer Schienen klappern. Ein heftiges Gewitter, möchte man meinen, aber kaum tritt das Phänomen deutlich zutage, da hat es bereits aufgehört. Lediglich einige Staub-spiralen sinken noch auf die Erde.
    Nicht wenige Kundschafter der Schnitterinnen haben diese Grenze überschreiten wollen, aber die Wächter passen auf.
    Denn dieser Lärm, dieser Wind, dieses Vibrieren, das sind sie, die Wächter des Randes der Welt, die alles erschlagen, was auf die schwarze Erde vorzudringen versucht.
    Ob sie diese Wächter bereits gesehen haben? Noch bevor die Roten eine Antwort erhalten, ertönt erneut ein lautes Getöse, das sich nach einer Weile wieder legt. Eine der sechs Schnitterinnen, die sie begleiten, behauptet, daß es bislang noch niemand geschafft habe, über dieses »verwunschene Stück Erde« zu gehen und lebend zurückzukommen. Die Wächter vernichten alles.
    Die Wächter … Niemand anders als sie können Lachola-kan und die Expedition mit dem Männchen Nr. 327 angegriffen haben. Aber weshalb haben sie das Ende der Welt verlassen und sind nach Westen gezogen? Wollen sie die Welt überfallen?
    Die Schnitterinnen wissen auch nicht mehr als die Roten.
    Können sie sie wenigstens beschreiben? Nein, sie wissen nur, daß alle, die sich den Wächtern genähert haben, vernichtet worden sind. Sie wissen nicht einmal, welcher Kategorie von Lebewesen jene zuzuordnen sind: Sind das riesige Insekten?
    Vögel? Pflanzen? Die Schnitterinnen wissen nur, daß sie immens schnell, immens stark sind. Eine Kraft, die schier unbegreiflich ist, die alles übersteigt, was man kennt …
    In diesem Augenblick ergreift Nr. 4000 ebenso plötzlich wie unvorhergesehen die Initiative. Sie verläßt die Gruppe und wagt sich auf das verbotene Terrain vor. Wenn sie schon sterben muß, dann will sie wenigstens versuchen, den Rand der Welt zu überschreiten, einfach so, dreist und frech. Die anderen schauen ihr bestürzt nach.
    Sie rückt langsam vor, lauert auf das geringste Vibrieren, auf den geringsten todesverheißenden Duft in den empfindlichen Enden ihrer Beine. Nun … Fünfzig Kopf hat sie hinter sich, hundert, zweihundert, vierhundert, sechshundert, achthundert.
    Nichts. Unverletzt, heil.
    Hinten jubelt man ihr zu. Von ihrem Platz aus sieht sie unregelmäßige weiße Streifen, die nach rechts und links verlaufen. Auf der schwarzen Erde ist alles tot; nicht das geringste Insekt, keine einzige Pflanze. Und der Boden ist dermaßen schwarz … Das ist gar keine richtige Erde.
    Sie erkennt Pflanzen, weit vorn. Könnte es sein, daß es eine Welt hinter dem Ende der Welt gibt? Sie sendet einige Pheromone in Richtung ihrer am sicheren Ufer gebliebenen Kolleginnen, um ihnen von all dem zu erzählen, aber auf eine solch große Entfernung ist es schwierig. Dialoge zu führen.
    Sie macht kehrt, doch im gleichen Augenblick brechen erneut das Beben und dieser ungeheure Lärm los. Die Wächter kehren zurück! Sie rennt mit aller Kraft, um ihre Gefährtinnen zu erreichen.
    Die sind wie versteinert für den Bruchteil einer Sekunde, in dem mit einem enormen Dröhnen eine bestürzende Massea m Himmel vorbeifliegt. Die Wächter sind vorübergezogen, der Geruch nach Mineralöl hat sich verstärkt. Und Nr. 4000 ist verschwunden.
    Die Ameisen rücken näher an den Rand und sehen, was passiert ist. Nr. 4000 ist zermalmt worden, und zwar derart, daß ihr Körper nur noch einen Zehntelkopf dick ist, als wäre er in den schwarzen Boden eingedrückt!
    Von der alten belokanischen Kundschafterin ist nichts mehr übrig. Gleichzeitig nehmen die von den Schlupfwespeneiern verursachten Qualen ein Ende. Man kann erkennen, daß eine Larve dieser Wespe ihren Rücken durchbohrt hat, kaum mehr als ein weißer Punkt mitten auf dem platten roten Körper …
    So schlagen die Wächter des Randes der Welt also

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