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Die Ameisen

Die Ameisen

Titel: Die Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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es doch überall, wie Sie selbst sagen.«
    »Sicher, aber nicht die gleichen Ameisen … Ich glaube, nach dem Verlust seiner Frau war ihm alles einerlei; heute frage ich mich sogar, ob er nicht darauf wartete, daß die Ameisen seinen Selbstmord besorgten.«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben ihn um ein Haar aufgefressen, verdammt noch mal! Die afrikanischen Seidenameisen … Haben Sie nie den Film Wenn die Marabunta grollt gesehen?«
    Jonathan schüttelte den Kopf.
    »Die Marabunta nennt man die Masse von Seidenameisen, oder auch annoma nigricans, die durch das Flachland zieht und auf ihrem Weg alles zerstört.«
    Prof. Rosenfeld stand auf, als wollte er sich einer unsichtbaren Welle entgegenstemmen.
    »Zuerst hört man eine Art gewaltiges Rauschen, das sich aus den Schreien und dem Kreischen, dem Flügelschlagen und Stampfen sämtlicher Kleintiere zusammensetzt, die die Flucht ergreifen. In diesem Stadium ist von den Seidenameisen noch nichts zu sehen. Dann tauchen einige Kriegerinnen auf einem Hügel auf. Nach diesen Kundschafterinnen kommen die anderen ganz schnell, in Kolonnen, so weit das Auge reicht. Das ist wie ein Lavastrom, der alles einschmelzt, was er berührt.«
    Der Professor ging gestikulierend, von seinem Gegenstand hingerissen, auf und ab.
    »Das ist das giftige Blut Afrikas. Lebende Säure. Ihre Anzahl ist erschreckend. Eine Kolonie von Seidenameisen legt Tag für Tag durchschnittlich fünfhunderttausend Eier. Ganze Eimer könnte man damit füllen … Und dieser Strom aus schwarzer Schwefelsäure fließt dahin, klettert Böschungen und Bäume hinauf, nichts kann ihn aufhalten. Die Vögel, Eidechsen oder insektenfressenden Säugetiere, die das Pech haben, ihnen zu nahe zu kommen, werden sogleich zerstückelt. Die reinste Apokalypse! Die Seidenameisen haben vor keinem Tier Angst.
    Einmal habe ich eine zu neugierige Katze gesehen, die sich im Handumdrehen in nichts auflöste. Sie überqueren sogar Flüsse, indem sie Pontonbrücken mit ihren eigenen Kadavern errichten …! An der Elfenbeinküste, in der Gegend, die an das ökologische Institut von Lamto grenzt, in dem wir arbeiteten, hat die Bevölkerung immer noch kein Mittel gegen ihre Invasion gefunden. Sobald es heißt, daß diese winzigen Attilas ihr Dorf durchqueren werden, raffen die Leute ihr wertvollstes Hab und Gut zusammen und fliehen. Sie stellen Tisch-und Stuhlbeine in Eimer voll Essig und beten zu ihren Göttern.
    Wenn sie zurückkommen, ist alles blitzblank, als wäre ein Taifun hindurchgefegt. Es gibt nicht mehr das kleinste Bröckchen Nahrung oder irgendeiner organischen Substanz.
    Auch kein Ungeziefer mehr. Letztlich sind die Seidenameisen das beste Mittel, seine Hütte von Grund auf zu reinigen.«
    »Und wie haben Sie sie dann studieren können, wenn sie so blutdürstig sind?«
    »Wir haben gewartet, bis es Mittag war. Die Insekten haben keinen Wärmehaushalt wie wir. Ist es draußen 18°, ist es auch in ihrem Körper 18°, und wenn Hitze herrscht, fängt ihr Blut an zu kochen. Das ist unerträglich für sie. Also graben sich die Seidenameisen bei den ersten heißen Strahlen ein Nest, sozusagen ein Biwak, in dem sie eine mildere Witterung abwarten. Das ist eine Art Miniwinterschlaf, nur daß sie nicht von der Kälte, sondern von der Hitze lahmgelegt werden.«
    »Und dann?«
    Jonathan hatte Schwierigkeiten, ein richtiges Zwiegespräch zu führen. Für ihn waren solche Gespräche wie kommu-nizierende Röhren. Es gibt einen, der Bescheid weiß, die volle Röhre, und einen, der nicht Bescheid weiß, die leere Röhre, in der Regel er selbst. Jener, der nichts weiß, sperrt die Ohren auf und kurbelt von Zeit zu Zeit den Redeschwung seines Gesprächspartners mit einem »Und dann?«, einem »Erzählen Sie mir davon« und einem Kopfnicken an.
    Wenn es andere Mittel gab, sich zu unterhalten, so kannte er sie nicht. Außerdem kam es ihm vor, wenn er seine Zeit-genossen betrachtete, als hielte ein jeder nur parallele Monologe und benutzte den anderen als kostenlosen Psychiater. Unter diesen Umständen zog er seine eigene Technik vor. Es hatte vielleicht den Anschein, als wüßte er nichts, aber zumindest lernte er so unaufhörlich dazu. Besagt nicht ein chinesisches Sprichwort: Wer eine Frage stellt, ist fünf Minuten dumm, wer keine stellt, ist es sein Leben lang?
    »Und dann? Wir sind hingegangen, verflixt! Und das war was, glauben Sie mir. Wir hatten vor, diese verfluchte Königin zu finden. Besagtes dickes Tierchen, das fünfhunderttausend Eier am

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