Die amerikanische Nacht
sie über die Terrasse und warf einen nach dem anderen gegen eine niedrige Mauer, die sich über die Länge des Hauses erstreckte. Das Klirren zerberstender Glasflaschen schallte durch die Nacht. Nachdem er den letzten Sack abgeworfen hatte, kehrte er ins Haus zurück und knallte die Tür zu.
Wieder umgab Stille das Haus.
Hopper und ich warteten eine Minute. Die einzigen Geräusche waren der Wind und das leise Grollen des Ozeans weit unter uns.
Wir nickten uns zu und rannten die letzten Meter zur Terrasse die Treppe hinauf. Hopper versuchte, die Tür zu öffnen. Sie war nicht verschlossen, und wir schlüpften hinein.
49
Es war eine Art Lagerraum.
Die Deckenbeleuchtung war ausgeschaltet und es war eiskalt. Wir schienen allein zu sein. Um uns herum standen große Holzkisten und Kartons gestapelt, eine Sackkarre lehnte gegen eine Wand. Ich trat näher an die Kisten heran und las die Etiketten. RÉMY MARTIN. DIVA VODKA. CHATEAU LAFITTE. WRAY & NEPHEW JAMAICAN RUM
.
Nicht übel. Auf der ganzen Breite der Wand waren übergroße Stahlkühlschränke aufgereiht, dahinter hingen in einem Alkoven an Haken schwarze Hosen und Hemden – eine Art Kellneruniform. In der Mitte des Raumes stand ein langer, beladener Holztisch. Als ich näher trat, sah ich, dass darauf mit Plastikfolie umwickelte Klötze lagen. Das musste Kokain sein, jeder Klotz rund ein Kilo schwer. Es waren mindestens hundert, dazu noch vier mit Vorhängeschlössern gesicherte Geldkassetten, die mit einem Stahlseil an die Tischbeine gekettet waren.
»Das ist ein Duty-Free-Shop im Flughafen von Cartagena«, murmelte ich.
Hopper trat neben mich und zog eine Augenbraue hoch. »Oder ein Milliardär hat seinen Bunker richtig schön für den Weltuntergang ausgestattet. Er nahm einen der Kokainziegel und warf ihn in die Luft, als wäre es ein Football und er ein erfahrener Quarterback. Er fing ihn wieder auf und stopfte ihn in seine Manteltasche.
»Bist du
bescheuert
?«
»Was?«
»Leg das zurück.«
Er zuckte mit den Schultern und schlenderte zu den Kühlschränken hinüber. »Das ist Marktforschung.« Er riss eine der Stahltüren auf. Die Fächer waren voller Styroporkartons und Schalen.
»Zu solchen Partys hab ich mich schon oft selbst eingeladen.« Er durchstöberte die Behälter. »Die Kosten übernimmt irgendein saudischer Prinz, vielleicht ein Russe. Dieses Zeug hier ist für sie wie ein Bier und ’ne Brezel für uns. Wär’s dir nicht scheißegal, wenn ein paar Tüten Chips weg wären?«
Ich nahm eine Kiste kubanischer Zigarren in die Hand.
Cohiba Behikes.
Hopper sah sich ein schwarzes Glasgefäß an und stellte es zurück ins Regal. »Hier gibt’s mehr Kaviar als im Schwarzen Meer.«
»Bedien dich ruhig. Ich hau hier ab, bevor der Saudi-Prinz auf die Idee kommt, sich stärken zu wollen.« Ich ging hinüber zu der Tür auf der anderen Seite des Raumes. Ich konnte Housemusik hören, die pulsierte wie das Getriebe der Erde, schimmernd und unermüdlich.
Ich öffnete die Tür einen Spalt breit und spähte hindurch. Es dauerte einen Augenblick, bis ich verstand, was ich da sah.
Es war eine Party. Doch der Boden – schwarzweiße geometrische Kacheln – wogte wie das Meer. Er erstreckte sich über ein riesiges rundes Atrium, das von korinthischen Säulen umringt war, doch es gab keine Decke, bloß einen hellblau strahlenden Himmel mit ein paar Wolken.
Wie zur Hölle konnte es hier drin ein perfekter Sommertag sein
? In der Ferne lag hinter efeubewachsenen Steinbögen und dunklen Durchgängen, die zu Trampelpfaden führten, ein üppiger, blühender Garten, in dem sich griechische Statuen sonnten. Ein Reiher watete durch einen glitzernden Bach. Rote und grüne Papageien segelten durch den Dschungel, das Sonnenlicht sickerte traumhaft schön durch die Baumwipfel.
Während meine Augen fieberhaft nach einer Spur von Realität suchten, hatte ich einen gedanklichen Kurzschluss. Ich war hingerissen und versuchte zugleich, eine logische Erklärung für das zu finden, was ich vor mir sah:
eine Biosphäre, eine Inszenierung, ein Disneyworld für Erwachsene, ein Portal zu einem anderen Planeten.
Doch dann fand ich einen Fehler in diesem tropischen Paradies: Auf dem Fußboden, ungefähr dreißig Zentimeter von mir entfernt, stand ein Projektor.
Es war alles gemalt, eine fotorealistische Illusion, die so detailreich und schön war, dass sie in dem gedimmten Licht lebendig wirkte, blühend. In der abgesenkten Mitte des Raumes hielt sich die dichte Menge
Weitere Kostenlose Bücher