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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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einem anderen –
sie liefen auf mich zu
.
    Ich zog mich zurück und rannte los, an der Laderampe und dem rauchenden Kellner vorbei. Er stand auf und rief etwas, als ich vorbeiraste und um den nächsten weitläufigen Flügel des Hauses bog. Die Fenster waren dunkel, doch ich hätte schwören können, dass ich für einen Sekundenbruchteil – vielleicht war es bloß der Wind, der durchs Gebüsch pfiff – das
langgezogene, dumpfe Stöhnen
eines Mannes hörte.
    Gott.
Ich lief weiter auf den Garten zu, durch Blumenbeete und Stauden, und bog um die nächste Ecke.
    Ich erstarrte.
    Die Rasenfläche hinter dem Haus war hell erleuchtet. Wachen liefen über die Terrasse und um den Pool herum. Zwei von ihnen standen auf dem Rasen und untersuchten die Treppe, die Hopper und ich hinaufgeklettert waren.
    Ich wirbelte herum. Die Schritte der Sicherheitsleute kamen immer näher.
    Ich kletterte auf die aufgehäuften Müllsäcke und über die Steinmauer. Dann rannte ich quer über einen Streifen Wiese zu einer hohen Hecke und versuchte mich hindurchzuzwängen. Die Äste waren so dicht, dass ich mich wie durch ein festes Netz hindurchkämpfen musste. Ich bückte mich, drückte die Zweige mit den Händen auseinander und krabbelte mit dem Kopf voran hindurch.
    Ich hörte Schreie hinter mir, die das Grollen des Ozeans durchschnitten.
    Auf der anderen Seite angekommen riss ich mich los und kam stolpernd auf die Füße.
    Ich stand nicht, wie erhofft, im nächsten Garten, sondern auf einem Stück Moorland – hier gab es weder Haus noch Rasen, nur Dunkelheit und schulterhohe, knotige Sträucher, die ein Fortkommen unmöglich machten. Ich huschte an der dunklen Hecke entlang, durch die ich mich gerade gezwängt hatte. Hier standen die Büsche nicht so dicht. Ich kämpfte mich durch etwas, das sich wie Stechpalmen oder Rosensträucher anfühlte, in Richtung des Ozeans.
    Ich musste eine andere Treppe zum Strand hinunter finden.
Ich erreichte die Uferwand. Windböen rasten vom Atlantik heran. Ich ging die Wand vorsichtig ab, doch ich sah schon nach wenigen Sekunden, dass es hier keine Treppe gab.
    Das musste eine Art Naturschutzgebiet sein. Ich saß in der Falle.
Hier gab es meilenweit keine Stufen und kein Haus.
    Ich sah mich um. Die Hecke bewegte sich, schwarze Gestalten traten durchs Gebüsch, Taschenlampenstrahlen tasteten das knorrige Dickicht ab und kamen auf mich zu.
    Sie waren immer noch hinter mir her.
Der Manager hatte wahrscheinlich eine Fatwa gegen mich ausgerufen.
    Ich krabbelte zum Rand der Klippe. Es war keine Steilwand, sondern ein mit Büschen bewachsener Hang. Ich packte eine der Pflanzen, um mich festzuhalten, und begann mit den Füßen voran hinabzurutschen, wobei ich eine Lawine von losen Steinen und Sand auslöste. Taschenlampen suchten bereits die Vegetation direkt über mir ab. Das Schreien der Männer war über dem Lärm der Wellen kaum zu hören. Ich drückte mich mit dem Rücken gegen den Felsen, wartete, bis sie vorbeigegangen waren, und rutschte weiter. Einige der Sträucher lösten sich unter meinem Gewicht, so dass ich kurz im freien Fall war, doch dann erwischte ich eine Wurzel, die meinem Gewicht standhielt.
    Ich erreichte einen Felsvorsprung, ein Stück über dem Strand.
    Die Flut war gekommen.
Es gab keinen Strand – nur anderthalb Meter hohe Wellen, die sich einige Sekunden lang schäumend zurückzogen und kantige Felsen am Fuße der Klippe freilegten, bevor sie sich aggressiv überschlugen und in wilden Explosionen an den Felsen brachen.
    Ich wartete und sah nach, ob sich über mir etwas bewegte.
    Hier war ich sicher. Niemand würde so verrückt sein, mir hierhin zu folgen.
    Im selben Augenblick sah ich, wie zwei dunkle Gestalten sich herunterbeugten und nach mir riefen.
    Ich tastete mich ein Stück weiter hinab und gelangte zu ein paar Felsbrocken. Ich kletterte über die Felsen in Richtung Westen. Immer wenn das Wasser sich zurückzog, bewegte ich mich weiter. Nach einigen Minuten sah ich weit vor mir das dürre Skelett, das Duchamps Treppe sein musste, aus den Wellen ragen.
    Ich bewegte mich langsam darauf zu. Plötzlich waren oben auf der Klippe Taschenlampen zu sehen, die das Ufer absuchten. Die Strahlen glitten nur einen Meter von mir entfernt über die Felsen.
    Sie warteten auf mich.
Das Licht ging direkt über mich drüber.
    Schreie waren zu hören. Ich ging weiter, schneller jetzt, fast rechnete ich damit, dass um mich herum Schüsse gegen die Felsen prallten.
    Als ich den unteren Teil der

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