Die amerikanische Nacht

Stilettos. Ihre Zehennägel waren schwarz lackiert und wie bizarre Dornen zu Spitzen gefeilt. Unvermittelt sah ich etwas, das nicht hierherpasste:
dreckige weiße Converse Turnschuhe
. Einer der Kellner trug sie.
    Hopper.
    Er hatte eine der Uniformen aus dem Lagerraum angezogen. Er schwang ein Silbertablett und ging zwischen den Gästen umher, als gehörte ihm der Laden. Ich trat hinter ihn.
    »Ich muss verdammt nochmal weg von hier. Ich bin entdeckt worden.«
    Er nickte. »Komm mit.«
    Wir bogen scharf links ab, bahnten uns einen Weg durch die Menge und sprangen die Marmorstufen hinauf. Hopper steuerte gezielt auf die zerbröckelnde Mauer zu, die das gesamte Rondell umgab.
    Es war keine Tür zu sehen. Doch er streckte die Hand aus und drückte gegen das Gesicht einer liegenden, mit Moos bewachsenen Frauenstatue.
    Nichts tat sich.
Er legte die Stirn in Falten und drückte die Arme, Beine und die nackten Füße der verwitterten Figur, um irgendwie den Öffnungsmechanismus auszulösen.
    Ich warf einen Blick über die Schulter.
    Zwei Gäste, die in der Lounge saßen, sahen uns beunruhigt zu. Einer von ihnen drehte sich um und gab einem der Kellner ein Zeichen.
    Und dann sah ich den Manager. Er schob sich aggressiv durch die Menge, flüsterte etwas in seinen Ohrhörer und suchte das Atrium ab.
    In wenigen Sekunden würde er mich entdecken.
    »Können wir das irgendwie beschleunigen?«, murmelte ich.
    »Ich schwöre, ich bin gerade hier rausgekommen.«
    Ich trat neben ihn und ließ meine Hand über die Wand gleiten. Hopper ging einen Schritt nach links zur nächsten Statue. Er drückte ihre Hände, ihr Gesicht, die Brüste, Augen, und Gott sei Dank öffnete sich eine rechteckige Tür, die in einen langen Korridor mit weißen Wänden und orangefarbenem Linoleumboden führte.
    Wir rannten den Gang entlang, an dessen Ende zwei Stahltüren zu sehen waren.
    »Und du dachtest,
ich
würde uns in die Scheiße reiten«, rief Hopper über seine Schulter hinweg.
    »Das ist der Fallout vom Beschaffen wichtiger Informationen.«
    »Ach ja, und welcher?«
    »Ashley hat sich vor zwei Wochen hier reingeschlichen. Sie ist auf ein Mitglied los, der die Spinne genannt wird.
Gekonnt
ist
gekonnt
.«
    »Die Spinne? Und wie heißt er wirklich?«
    »Weiß ich nicht.«
    Wir rasten durch die Schwingtür in eine Küche. Sie war voll mit Köchen in Montur und brodelnden Töpfen. Es roch nach gebratenem Fleisch und Knoblauch. Einige sahen neugierig von ihrer Arbeit auf, als Hopper und ich an den Arbeitstischen, den Herdplatten mit brutzelnden Pfannen und den Servier- und Dessertwagen vorbeirannten.
    Wir entkamen durch eine zweite Schwingtür in einen weiteren leeren Korridor.
    Hopper hielt keuchend an und zeigte nach vorne.
    »Lauf weiter bis zum Ende des Gangs, dann rechts. Die Tür führt nach draußen.«
    Ich lief los, aber drehte mich um, als er mir nicht folgte.
    »Bleibst du noch?«
    Er war auf dem Weg zurück in die Küche. »Ich hab gerade erst angefangen.«
    »Sei vorsichtig. Und danke, dass du mir den Arsch gerettet hast.«
    Er lächelte. »Der ist noch nicht gerettet.«

52
    Ich erreichte das Ende des Flurs, bog rechts ab und rannte direkt auf einen Notausgang zu. Aus einem Lautsprecher erklang ein Alarm.
    Der Manager musste einen Sicherheitsverstoß gemeldet haben.
    Ich stieß die Tür auf und lief hinaus.
    Vor mir lag ein hell erleuchteter Ladeplatz, die Zufahrt war mit Lieferwagen und zwei schwarzen Escalade- SUV s zugestellt. Ein Kellner saß auf einer Kiste und rauchte. Er lächelte, als ich lässig an ihm vorbeiging und die Stufen hinablief. Ich betrat einen gepflasterten Weg, der um das Haus herumführte.
    Das musste die Ostseite sein.
    Ich bog um die Ecke und blieb wie angewurzelt stehen.
    Vor mir lag der Haupteingang des Hauses, eine aufwendige, mit Säulen versehene Wagenauffahrt, die vor schwarzgekleideten Sicherheitsleuten nur so wimmelte. Ein schwarzer Range Rover hielt vor dem Eingang, das hintere Fenster war halb geöffnet –
wer auch immer
darin saß, er stand eindeutig auf der Gästeliste. Die Zufahrt beschrieb eine Linkskurve durch ein dichtes Waldstück und führte vermutlich zum Old Montauk Highway –
dem Weg nach draußen
. Weiter links von mir konnte ich hinter dem Laub einen Rasen erkennen, auf dem mehrere Autos parkten.
    Auf diesem Weg kam ich nicht raus. Die Sicherheitsleute waren offensichtlich alarmiert worden, denn sie schwärmten jetzt aus und liefen ins Haus. Einer drehte sich in meine Richtung und winkte