Die amerikanische Nacht

Street. Nora hatte Ersatzschlüssel, deshalb dachte ich, sie habe mich vielleicht nicht erreichen können und sei vor mir nach Hause gekommen. Doch das Apartment war leer und niemand hatte eine Nachricht hinterlassen.
    Ich duschte und überlegte, mich schlafen zu legen, aber ich war zu nervös, zu unruhig –
zu sauer
.
    Sie hatten den General auf dem Schlachtfeld dem Tod überlassen. Oder war etwas passiert?
Ich hatte keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, denn mein Telefon erinnerte mich daran, dass Peg Martin, eine der Darstellerinnen aus »Isolate  3 «, heute um 18 : 00  Uhr auf dem Hundeauslaufplatz im Washington Square Park sein würde. Das war die Spur, mit der mich Beckman vor fast einer Woche versorgt hatte.
    Ich ging zurück in mein Büro, gab Septimus ein bisschen Vogelfutter und zog Peg Martins Interview im
Sneak
Magazin von 1995 aus der Kiste mit den Aufzeichnungen. Nach Cordovas
Rolling Stone
-Interview von 1977 war dies das einzige Mal, dass jemand, der mit ihm gearbeitet hatte, offen über diese Erfahrung sprach.
    © Elke Meitzel/cultura/Corbis
    © Alexey Stiop/Dreamstime.com
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    Sie war siebzehn, als sie in Cordovas Film mitspielte. Also war sie jetzt fünfunddreißig.
    Ich googelte ihren Namen und stieß auf ein paar Standfotos aus »Isolate  3 «. Sie hatte in dem Film nur drei Szenen. Eine davon war in einer unscharfen Version auf YouTube zu sehen. Sie spielte Vivian Jean, eine der Frauen, die nachts in den Büros der Kanzlei Milton, Bowers & Reid saubermachten, und am Ende wird sie unbeabsichtigt zur Vertrauten der Hauptfigur des Films, Rhoda. Sie erzählt den anderen Putzfrauen, dass sie schrecklich ungeschickt sei, doch es wird deutlich, dass ihr Ehemann für ihre Verletzungen verantwortlich ist. Am Ende des Films liegt sie im Krankenhaus, und Rhoda setzt ihr Leben aufs Spiel, indem sie sie besucht. An dieser Stelle sagt Peg:
Die Wissenschaft sucht im Weltall nach Außerirdischen, aber sie sind hier. Die sind schon unter uns.
Sie sprach über ihren Mann und wie grässlich die Menschen sein konnten, die man liebte. Ich fand es schon immer interessant, dass Martin diese Zeile im Interview benutzte, um Cordova zu beschreiben.
    IMD b zufolge hatte Peg Martin, nach ihrer Rolle in der HBO -Serie »New Found Glory« – ein Remake von »Es geschah in einer Nacht«, das nach der ersten Staffel abgesetzt wurde – noch in einem Fernsehfilm für ABC mitgespielt, »Elvis Has Left the Building«, an der Seite von Jeff Goldblum. Nach 1996 gab es keine Einträge mehr. Ich fand keine aktuellen Informationen zu ihr und keinen Hinweis darauf, was aus ihr geworden war. Ich erinnerte mich jedoch, dass Beckman erwähnt hatte, sie sei heroinabhängig gewesen – das war zweifellos der Grund, warum sie eine so kurze Filmkarriere gehabt hatte.
    Ich sah auf die Uhr.
    Es war fast fünf. Ich musste mich beeilen. Doch ein Mann, der allein in einem öffentlichen Park herumlief, überfreundlich war und zu viele Fragen stellte – das würde die Alarmglocken läuten lassen. Ich brauchte einen Lockvogel.

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    »Mrs Quincy rief an, um mich vorzuwarnen, dass Sie kommen würden«, verkündete Dorothy und musterte mich skeptisch über den Rand ihrer Brille hinweg. »Aber
nicht
eine halbe Stunde zu früh. Samantha tanzt gerade für den
Nussknacker
vor.«
    Dorothy war die ergraute Zarin, die die Ballettschule von Manhattan mit eiserner Faust regierte. Ich kannte sie bereits, und sie behandelte mich jedes Mal, als sei ich aus einem sibirischen Gulag geflohen.
    »Gut, aber wir haben eine Reservierung im Plaza, zum Vater-Tochter-Tee.«
    »Wenn Sie sie
jetzt
da herausholen, hat sie keine Chance, eine Puppe von Mr Drosselmeyer zu bekommen. Vielleicht reicht es nicht einmal bis zur Bescherung.«
    »Kommen Sie, Dorothy. Sam muss bei der Bescherung dabei sein. Sie ist doch die Bescherung.«
    Dorothy seufzte und gab nach. »Na los.«
    Ich zwinkerte ihr zu, drehte mich um und schritt durch den Flur zu den Tanzsälen, in denen der Unterricht stattfand. Der Holzfußboden knarrte unter meinem Gewicht. Ich hatte Cynthia angerufen und gefragt, ob ich es mir am Abend für ein paar Stunden mit Sam nett machen dürfe – um wiedergutzumachen, dass ich ihren Besuch bei mir verschoben hatte. Wie durch ein Wunder war sie einverstanden. Ich ging nicht ins Detail, was genau wir in diesen Stunden machen würden, doch egal was sich mit Peg Martin ergeben sollte, Sam würde der Hundeauslaufplatz in