Die amerikanische Nacht
Nachbarn erzählen.
»Früher gab es hier überall Straßenschilder, aber der Briefträger hat mir erzählt, dass sie sie entfernt haben«, sagte er.
»Wen meinen Sie mit
sie
?«, fragte ich.
»Die Leute, die da oben wohnen.«
»Sie meinen die Familie Cordova?«
Er nickte.
»Warum sollten sie Straßenschilder abmontieren?«, fragte ich.
»Sie wollen nicht, dass jemand da hoch kommt. Sie wollen unter sich bleiben. Das erzählt man sich in der Stadt. Früher habe ich alle möglichen schicken Autos rein- und rausfahren sehen, von Mitternacht bis in den frühen Morgen. Vor allem in den Achtzigern und Neunzigern. Limousinen. Einmal einen Rolls Royce. Ein paar Mal habe ich Hubschrauber landen hören. Auch Musik. Aber seit Anfang 2000 ist es da ruhig. Ich seh’ nie jemanden rein- oder rausgehen.«
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Fahrt nach Crowthorpe Falls, NY und The Peak
S. McGrath
Interview mit Nelson Garcia – 3 . April 2006
Garcia zu Folge erhielt er Anfang Dezember 2004 einige UPS -Sendungen, die für The Peak gedacht waren, jedoch versehentlich bei ihm angeliefert wurden. Die erste war ein großer Karton mit der Aufschrift
Century Scientific
. Century Scientific, Inc. mit Sitz in Scranton, Pennsylvania, ist ein Hersteller medizinischer Geräte. Sie verkaufen Betten, Rollstühle, Liegen und andere therapeutische Gerätschaften an Privatkliniken.
»Meine Tochter schickt mir manchmal Pakete, deshalb hab’ ich unterschrieben«, erzählte Garcia. »Als der Bote wegfuhr, hab ich gemerkt, dass es nicht für mich war.«
»An wen war es adressiert?«, fragte ich.
»An einen Javlin Cross. Und die Adresse war 1 Country Road 112 . Ich bin aber die 33 Country Road 112 . Ich hab den Karton nicht geöffnet. Aber er war schwer. Ich konnte ihn kaum heben. Ungefähr 1 , 20 Meter hoch. Ich glaube, das war eine Art Stuhl – jedenfalls hatte der Karton so eine Form.«
Garcia rief bei UPS an und im Laufe der nächsten Stunde wurde das Paket abgeholt.
Eine Woche später brachte der Fahrer einen weiteren Karton, wieder für Mr Javlin Cross.
»Der Absender war irgendwas mit ›Pharmazeutika‹«, sagte Garcia. »Ich hab’ dem Boten gesagt, dass er bei der falschen Adresse war. Er hat sich entschuldigt und gesagt, dass er neu in dem Job war. Und das war’s dann auch. Aber danach habe ich einen oder zwei Monate lang einmal die Woche nachmittags einen Lastwagen da hinein fahren sehen, der ihnen Gott weiß was gebracht hat. Ich hab’ ein paar Minuten gewartet, und dann war das schrille Kreischen der elektrischen Eisentore zu hören, die den Lastwagen durchließen. Das Scharnier war so laut, dass es in den Ohren wehtat.
Ich dachte, mein Fernseher zerspringt.« Er schüttelte den Kopf. »Ich denke, da oben war jemand krank. Oder verletzt.«
Garcia sagte, er hätte die Verwechslung vermutlich vergessen, wenn ihm nicht eine Woche nach den Falschzustellungen noch etwas Seltsames aufgefallen wäre. Er fuhr gerade seinen Müll zum Container am Ende der Straße, als er einen seltsamen Geruch bemerkte, der aus den anderen Plastiksäcken strömte.
»So was hatte ich noch nie gerochen. Es stank. Wie verbranntes Plastik.«
Garcia sagte, nur er und die Cordovas nutzten diesen Müllabladeplatz. Eine Woche nach dieser Beobachtung fiel ihm auf, dass keine weiteren Säcke hinzugekommen waren, und bis heute benutzt nur noch er diesen Abfallbehälter.
»Jetzt verbrennen sie ihren kompletten Müll«, sagte er. »In warmen Nächten kann man es riechen. Das Verbrennen. Und manchmal, wenn der Wind in südöstliche Richtung weht, kann ich sogar den Rauch sehen.«
Ich fragte Garcia, ob er je einen von Cordovas Filmen gesehen hat. Er schüttelte den Kopf.
»Ich lass’ mir nicht gerne Angst einjagen«, sagte er. »Dann hab’ ich Albträume.«
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Fahrt nach Crowthorpe Falls, NY und The Peak
S. McGrath
Interview mit Nelson Garcia – 3 . April 2006
»In seinem Film ›Isolate 3 ‹«, erklärte ich ihm, »gibt es einen Mann, der gegen seinen Willen gefangen gehalten wird. Ein ehemaliger Häftling, den die Hauptfigur finden und befreien muss. Sein Name ist Javlin Cross – der Name, der auf den Paketen stand, die Sie bekommen haben.«
Garcia nickte und dachte darüber nach.
»Was ist die allgemeine Meinung in der Stadt zu den Cordovas?«, fragte ich.
»Wie meinen Sie das?«
»Was sagen die Leute über sie? Über das Anwesen?«
»Niemand redet gerne darüber. Keine Ahnung wieso. Sie tun’s einfach
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