Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
PROLOG
Ein Schrei weckte ihn, endlos und schrill. Eine Frau in Todesangst. Auf einen Schlag war er hellwach. Er richtete sich auf, die Decke rutschte ihm vom Leib. Seine Blicke suchten nach der Frau, die da so furchtbar gequält wurde. Sie war jung, blond, hatte große Brüste und rannte vor einem riesenhaften Mann davon, der eine Machete schwang.
Er stöhnte erleichtert, nahm die Fernbedienung vom Couchtisch und schaltete den Fernseher aus. Sein Puls beruhigte sich. Er musste sich unbedingt angewöhnen, hinauf ins Schlafzimmer zu gehen, wenn ihm abends die Augen zufielen. Er wurde langsam zu alt, um sich auf diese brutale Weise aus dem Schlaf reißen zu lassen.
Er sah auf die Wanduhr neben dem Bücherregal, die ungerührt vor sich hintickte. Kurz vor vier. Seine Schicht begann um neun. Es lohnte sich, noch ins Bett zu gehen. Er stand auf, verfluchte stumm seine morschen Knochen und wankte auf die Fensterfront zur Terrasse und zum Garten hinaus zu. Seine Hand lag schon auf dem Schalter für die Rollläden, da bemerkte er sie. Eine Gestalt, kaum mehr als ein Schemen, draußen zwischen den Rhododendren beim Geräteschuppen. Er blinzelte, weil er meinte, noch ein Nachbild des Horrorstreifens von eben auf der Netzhaut zu haben. Hatte er nicht. Die Gestalt blieb, wo sie war. Sie stand ganz still, schien ihn aus dem Dunkel anzustarren.
Sein Herz begann erneut, wie wild zu schlagen. Dann rief er sich selbst zur Vernunft. Er öffnete die Terrassentür einen Spalt. »Hallo? Ist da wer? Was machen Sie da?«
Die Gestalt drehte sich um und verschwand um denSchuppen. Er stutzte. Was war das gewesen? Nur eines der Mädchen von nebenan, das sich heimlich mit seinem Freund getroffen hatte und den Weg durch fremde Gärten wählte, damit die Eltern nichts von dem nächtlichen Ausflug mitbekamen? Ein Landstreicher, der gedacht hatte, er könnte im Schuppen Unterschlupf finden?
Er öffnete die Tür ganz, trat hinaus auf die Terrasse und griff nach dem Besen, der an seinem gewohnten Platz lehnte. Er hielt ihn vor sich wie eine stoßbereite Lanze und schritt langsam in den Garten hinaus. Die Nacht war mild, und dennoch fröstelte er. Was machte er da eigentlich? Wen wollte er mit seinem Besen erschrecken? Aber was hätte er sonst tun sollen? Die Polizei rufen? Einfach ins Bett gehen? Unschlüssig verharrte er, den Blick auf den Schuppen gerichtet, wo er den Eindringling zuletzt gesehen hatte. »Hallo?«, rief er noch einmal.
Nichts.
Er wartete noch einige Sekunden in atemloser Stille. Was würden seine Nachbarn denken, wenn zufällig einer von ihnen um diese Zeit noch aus dem Fenster schaute, wie er barfuß nur in Jogginghose und Unterhemd mit einem Besen bewaffnet durch seinen eigenen Garten schlich und Phantome jagte? Er schüttelte den Kopf und ließ den Besen sinken. Er beeilte sich, zurück ins Haus zu kommen, machte die Tür hinter sich zu, drückte auf den Schalter für die Rollläden und sperrte so den Garten und die unheimliche Begegnung hinter sich aus. Zufrieden lauschte er dem Surren des Elektromotors und schaute zu, wie sich auf der Fensterscheibe vor ihm sein eigenes bleiches Spiegelbild aufbaute.
»Du wirst brennen, du Hund!«, knurrte es hinter ihm.
Er fuhr herum, nahm noch eine huschende Bewegung wahr. Dann war der Eindringling schon bei ihm, und es gab kein Entkommen mehr.
1
»Verrätst du mir bitte noch mal, an wen genau du diese Geschichte verkaufen willst?« Bernd zog an seinem Zigarillo und blies den Rauch durch das offene Beifahrerfenster. »Ich meine, jetzt mal im Ernst: Für die ›Brigitte‹ menschelt es da nicht genug, für die ›GEO‹ kommt es mir nicht exotisch genug vor. An wen hast du gedacht? Den ›Stern‹?«
»Nö.« Katja trommelte ungeduldig auf das Lenkrad. Das Schneckentempo, in dem sie über die A24 krochen, machte sie nervös. Die Wiesen und Weiden Schleswig-Holsteins mochten in Touristenbroschüren sicher ihren Reiz besitzen. Auf ein Großstadtkind wie sie wirkten sie jedoch ein bisschen öde. Vor allem inmitten dessen, was das Radio als »zähfließenden Verkehr vor einer Baustelle« bezeichnete und was in Wahrheit ein waschechter Stau war. So viel zum Thema »Wir fahren mittags los, dann kommen wir glatt durch«. Ja, klar. »Ich habe mit Gunnar geredet. Mit etwas Glück kriegen wir das Ding im ›Spiegel‹ unter.«
»Gunnar, ja?« Bernd kratzte sich skeptisch das vorspringende Kinn. »Reden wir hier über den Gunnar, der dir an die Wäsche will?«
»Ja. Und?«
»Der
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