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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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dass sie sie nicht mehr auseinanderhalten konnte. Mit halb geschlossenen Augen kramte sie in ihrer Handtasche. Da sie nicht fand, wonach sie suchte, drehte sie die Tasche auf den Kopf und leerte den Inhalt über der Bettdecke aus. Zwischen drei Slipeinlagen, einer halbvollen Flasche Evian, einer Packung Kleenex, ihrem Hallo-Kitty-Kalender, ihrem Portemonnaie und einer Schachtel Halspastillen mit Bergamottegeschmack entdeckte sie schließlich das kleine Fläschchen mit Nitrazepam. Die normale Dosis wäre fünf Milligramm gewesen, sicherheitshalber nahm sie fünfzehn Milligramm. Sie spülte die Pillen mit dem lauwarmen Mineralwasser hinunter, warf die leere Plastikflasche auf den Boden und schloss die Augen. Ein sanfter Druck in der Stirnhöhle stellte sich ein. Jetzt musste sie nur noch darauf warten, dass die Benzodiazepine die Verbindung zwischen
den Rezeptoren in ihrer überhitzten Hirnrinde blockierten und den künstlichen Schlaf herbeiführten. Ein Schlaf, der fast so gut wie der natürliche war. Abgesehen davon, dass die REM-Phase verkürzt wurde.
    Â 
    Es roch nach Espresso und gegrillter Pancetta, so wie an jedem Sonntagmorgen. Der würzige Duft führte sie in Gedanken nach Lyngby … Sie öffnete langsam die Augen und sah, wie die zartgelbe Farbe, die sie gemeinsam ausgesucht hatten, das Zimmer in ein warmes Licht tauchte. Es war die erste Farbe in ihrer Wohnung gewesen. Sie hörte Jan in der Küche pfeifen, konnte aber keine bestimmte Melodie erkennen. Sie schob sich in die Mitte der Matratze, kroch unter seine Decke, die immer noch warm war, und gähnte zufrieden.
    Â»Ist da etwa jemand aufgewacht?«, rief Jan.
    Â»Es duftet köstlich!«, rief sie zurück.
    Â»Willst du am Tisch oder im Bett frühstücken?«
    Maja streckte sich lächelnd. »Frühstück im Bett hört sich nicht schlecht an.« Dann musste sie an die Vorfälle der letzten Nacht denken. »Ich hab die merkwürdigsten Sachen geträumt.«
    Â»Aha«, entgegnete er mit mäßigem Interesse.
    Â»Ich habe geträumt, dass ich in Norwegen arbeite.«
    Â»Ich dachte, man träumt nichts, wenn man Schlaftabletten nimmt.« Der Hauch eines Vorwurfs lag in seiner Stimme.
    Sie beschloss, ihn zu überhören.
    Â»Ich habe in einer kleiner Hafenstadt gearbeitet. Als Vertretung in der Notaufnahme eines Krankenhauses.«
    Er tauchte in der Türöffnung auf und lächelte sie an. Wenn er sie so ansah, konnte sie immer noch schwach werden.
    Â»War nicht besonders lustig da oben. Du hast mir gefehlt.«

    Jan warf ihr eine Kusshand zu und verschwand wieder in der Küche.
    Â»Willst du nicht doch noch deinen Facharzt machen?«, rief er. »Ich glaube, eine eigene Praxis könnte ziemlich lukrativ sein.«
    Sie fror an den Zehen und kämpfte damit, die Decke über ihren freien Fuß zu ziehen.
    Â»Ich hab versucht, einen Junkie mit Herzstillstand zu retten«, erzählte sie.
    Â»Und, ist es dir gelungen?«
    Â»Nein.« Sie biss sich in die Lippen und sah an die Decke. Der Fleck rechts von der Deckenlampe irritierte sie jedes Mal, wenn ihr Blick darauf fiel. Trotzdem hatte sie ihn noch nicht überstrichen.
    Â»Scheint ja wirklich nicht besonders erfreulich gewesen zu sein. Gut, dass du zurückgekommen bist.«
    Sie schob die Gedanken an den nächtlichen Albtraum weit von sich. Hier war es gemütlich im Bett – mit dem Duft nach Jan, Pancetta, Kaffee und geröstetem Brot. Der Duft eines Sonntags. Nun würden sie gleich frühstücken, um die Zeitungsbeilagen kämpfen (das Magazin stand besonders hoch im Kurs) und am Ende, wenn sie keine Lust mehr zu lesen hatten, miteinander schlafen. Später würden sie einen Spaziergang am See oder im Park machen.
    Maja war zufrieden – bis der Wecker klingelte. Sie beschimpfte Jan, dass er den Wecker absichtlich auf eine so frühe Uhrzeit gestellt hatte. Sie hasste dieses Klingeln. Es erinnerte sie an ihre Studentenzeit, wenn sie morgens eine Vorlesung gehabt oder für die Medizinische Studentenvereinigung gearbeitet hatte. Sie drehte sich auf die andere Seite und tastete nach dem Wecker auf dem Nachttisch. Aber er stand nicht an seinem Platz. Sie streckte sich, um nachzusehen, ob er auf den Boden gefallen war. Doch auch dort war der Wecker nicht. Nur sein Läuten gellte ihr weiter
in den Ohren. Da begriff sie plötzlich, dass es nicht der Wecker war, der

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