Die Anatomie des Todes
Wäscheleine hängen, als ich von denen da abgelenkt wurde.« Er zeigte auf die Polizisten, die auf der StraÃe standen.
»In Zukunft«, erwiderte sie, »lassen Sie meine Wäsche bitte liegen, ganz gleich wo Sie sie finden.«
Damit knallte sie das Fenster zu, ehe er etwas entgegnen konnte.
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Zehn Minuten später war sie im Waschkeller und nahm ihre Wäsche von der Leine. Sie würde zu spät zur Arbeit kommen, aber das war jetzt nicht zu ändern. Den Rest ihrer Wäsche vor Kvams gierigen Fingern zu bewahren, war
wichtiger als pünktlich zu ihren Patienten zu kommen. Sie bemerkte sofort, dass er sich an ihren Slips zu schaffen gemacht hatte. Sie nahm sie mit spitzen Fingern und stopfte sie sich in die Taschen. Um nichts in der Welt würde sie sie noch einmal anziehen.
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Als sie am Haus des Verstorbenen vorbeifuhr, fiel ihr zum ersten Mal auf, dass es einem dieser Orte glich, die von manchen Polizisten und Sanitätern als »SchieÃbude« bezeichnet wurden â eine heruntergekommene Baracke, die von obdachlosen Junkies benutzt wurde, um sich einen Schuss zu setzen. Vor dem Eingang war ein Polizist immer noch damit beschäftigt, die neugierigen Jungs aus dem Viertel zu verscheuchen. Ein Fernsehreporter mit strubbeligen Haaren trat ungeduldig auf der Stelle, während sein Kameramann mit seiner Ausrüstung beschäftigt war. Eine gewisse Sorte von Journalisten hatte sie noch nie ausstehen können: diejenigen, die in ihrer unersättlichen Sensationsgier die Notaufnahme belagerten, nachdem sich ein schweres Unglück ereignet hatte.
Während sie an der Werft vorbeifuhr, musste sie wieder an ihren Traum denken. Es war damals eine schöne Zeit gewesen. In ihrer kleinen Wohnung am Nybrovej. Bevor sie umgezogen waren. Bevor sie beide ihr Studium beendet hatten. Bevor alles den Bach runterging.
3
Die morgendliche Besprechung im Ãrztehaus war ein festes Ritual, das Majas Chef Leopold Miltevik eingeführt hatte, der früher Oberarzt am Kreiskrankenhaus gewesen war. Obwohl die Arbeitsabläufe einer Bereitschaftspraxis die Besprechung von Patientenakten weitgehend überflüssig machten, hatte sie Miltevik, genannt Milten, im Verdacht, dieses Ritual nur deshalb aufrechtzuerhalten, damit er auch weiterhin sein Publikum hatte. Er war berüchtigt für seine Monologe, die er mit Anekdoten aus seinem dreiÃigjährigen Berufsleben sowie Zitaten aus Lebenshilfebüchern spickte. Maja sorgte in der Regel dafür, dass sie zu diesen »Besprechungen« zu spät kam. Alles andere hätte zu einer offenen Konfrontation zwischen ihnen geführt. Zwar geschah es nicht oft, dass sie die Kontrolle über ihr Temperament verlor, doch gegen selbstherrliche Oberärzte war sie genauso allergisch wie gegen Wurzelbehandlungen. Das hatte dazu geführt, dass sie im Laufe der Zeit eine unterschwellige gegenseitige Abneigung entwickelt hatten.
Unter freundlicher Mitwirkung des Ephedrins fertigte Maja ihre Patienten im Eiltempo ab und hatte bereits vierzehn von ihnen krankgeschrieben, neun davon wegen Stresssymptomen. In Dänemark wie in Norwegen schien Stress zur reinsten Epidemie geworden zu sein. Eine neue Pest, von der die Zivilisation bedroht wurde.
Jetzt saà ihr Patient Nummer fünfzehn gegenüber, aber sie hörte dem schmächtigen jungen Mann, der bereits seit einiger Zeit auf sie einredete, nur mit halbem Ohr zu. Stattdessen überflog sie noch einmal seine Patientenakte und nickte
hin und wieder, sodass er zumindest annehmen konnte, sich ihrer Aufmerksamkeit sicher zu sein. Sie war ihm durchaus wohlgesinnt, hatte sich diese und ähnliche Geschichten aber schon viel zu oft anhören müssen.
»Deshalb wäre es super«, fuhr der Mann fort, »wenn Sie mir einfach ein neues Rezept ausstellen könnten, mit dem ich nächste Woche über die Runden komme.«
Er schaute sie mit umnebeltem Blick an.
Maja lächelte freundlich zurück. »Schon möglich, dass Sie Ihr Rezept verloren haben â¦Â«, sie suchte in der Patientenakte nach seinem Namen, »aber ich kann Ihnen auf keinen Fall noch mehr Rohypnol verschreiben, Reidar.«
Es war ihr ein Rätsel, wie er mit dieser Tour überhaupt so lange durchkam. Dazu waren sein Missbrauch und seine Lügengeschichten allzu offensichtlich. Reidar war Anfang zwanzig und hielt sich eigentlich ganz gut. Die schicke Lederjacke und seine neuen Joggingschuhe
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