Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition)
Haus, hinaus auf die Straße. Draußen blieb er schwer atmend stehen und sah sich um. Es war recht hell, denn der Mond schien aus einem nur leicht bewölkten Himmel. Die Nacht war bereits weit fortgeschritten, in wenigen Stunden würde es zu dämmern beginnen. Sichernd blickte sich Dave um. Finn würde noch lange schlafen, so lange, bis er zurückkehrte und ihn aus dem befohlenen Schlaf aufwecken würde.
Dave sah zum Himmel hoch und atmete heftig ein und aus. Er musste nachdenken, was er tun sollte. Das war alles verwirrend neu und anders. Ein Teil von ihm wollte diesen Menschen töten, ein Teil ihn beschützen und obwohl er weit weg von Finn war, spürte er noch immer diesen eigenartigen Sog in seinem Herzen. Ihm war keine Magie bekannt, die auf diese Weise wirkte. Vielleicht sollte er sich ein Opfer suchen und die ihm entgangene Energie ersetzen. Es würde ihm vermutlich nicht so gut munden, wie Finns köstliche sexuelle Energie, allerdings würde es ihn vielleicht wieder zu dem machen, was er eigentlich war.
Dave verwandelte sich, breitete die Flügel ganz aus und verspürte unendliche Erleichterung, dass er sie wieder hatte. Er war ein Dämon, gefährlich, hungrig - kein Sklave eines Menschen! Kraftvoll schwang er die ledernen Schwingen und sprang in den Himmel. Er musste versuchen, mit sich ins Reine zu kommen. Kein Dämon war je von einem Menschen dauerhaft gebunden worden. Vielleicht wäre es besser, wenn er von hier verschwand, irgendwo weit weg von Finn ...
Immer höher stieg er in den Nachthimmel über Lüneburg, bis die Hansestadt nur noch aus winzigen, aneinandergereihten Lichtern in der Dunkelheit bestand. Dave kannte den Anblick nur zu gut, hatte die Stadt am Kalkberg über viele Jahrhunderte wachsen sehen. Es gab vieles, was ihn mit ihr verband und ihn offenbar immer wieder hierher zog.
Hungrig witterte er, suchte nach den kleinen Feuern der menschlichen Herzen. Irgendwo würde sein nächstes Opfer sein, alleine, schutzlos, mit ein wenig zu viel Alkohol im Blut. Er stutzte, als er unter sich unerwartet eine dämonische Präsenz wahrnahm, und lächelte grimmig.
Dieser Idiot! Was trieb ihn hierher? Noch ein Problem, um das er sich kümmern musste. Aber zunächst würde er seinen Hunger stillen. Mit einem weiteren Schlag seiner Flügel änderte der Dämon die Richtung und jagte durch den Nachthimmel hinunter in Richtung Innenstadt.
Eng an die Wand des Hauseingangs gedrängt, versteckt in den Schatten, hatte Russell die ganze Nacht gewartet. Außer ein paar angetrunkenen Männern, die sich gegenseitig stützend durch die Straße torkelten, war allerdings niemand aufgetaucht. Als es zu dämmern anfing, wurde er unruhig. Leise verfluchte er Dave. Russell mochte kein Tageslicht. Wesen seiner Art gehörten in die Dunkelheit, fand er, das war ihr Lebensbereich. Die Nacht war sein Element, wenn alle Menschen sich vor den Schatten fürchteten und er ihre Furcht nur genügend anheizen musste, um köstlich zu speisen.
Der Tag begann regnerisch und der graue Himmel ließ kaum Licht durch, sodass Russell missmutig weitere Stunden ausharrte, schließlich genervt den Hauseingang verließ und sich ein Café suchte, um zu frühstücken. Zu seinem Glück lag Daves Wohnung in der Innenstadt, sodass er nicht lange suchen musste, um etwas Passendes zu finden.
Es waren nur wenige Menschen im Café und Russells bedrohliche Ausstrahlung sicherte ihm einen Platz mit viel Freiraum. Er bestellte sich ein Frühstück und eine Zeitung, beobachte die Menschen ringsum und fühlte nach ihren Herzen und ihrem pulsierenden Blut. Er verspürte Hunger; es war Zeit, wieder jagen zu gehen. Seine letzte Mahlzeit lag mehrere Nächte zurück und er verspürte einen Hunger, den das menschliche Essen nicht zu stillen vermochte.
Dave war nicht aufgetaucht und langsam machte Russell sich durchaus Sorgen. Üblicherweise wäre der Dämon gegen Morgen von seinem Nachtmahl zurückgekehrt. Sie beide waren am Anfang ihrer „Freundschaft“, wenn man es denn so nennen konnte, öfter gemeinsam jagen gewesen, und auch wenn ihnen das Tageslicht nichts ausmachte, bevorzugten sie es doch, im Dämmerlicht heimzukehren, um unnötige Aufmerksamkeit bezüglich der Blutspuren zu vermeiden.
Wo Dave sich wohl noch herumtrieb? Der alte Dämon stellte Russell mehr und mehr vor ein Rätsel. Seufzend beschloss Russell, dass er später am Tag versuchen würde, noch einmal bei ihm zu klingeln.
Missmutig trank er seinen Milchkaffee und aß sein
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