Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition)
prickelte in seinen Armen, seinen Fingern und sein Griff um Daves Handgelenk wurde fester, entschlossener. Der grausame Druck an seiner Kehle lockerte sich ein wenig. Sekundenlang starrte ihn Dave an, dann beugte er sich vor.
„Halte dich von mir fern!“, zischte er ganz dicht an Finns Gesicht. Sein heißer Atem strich über seine Haut, die Stimme rau, gefährlich, eine pulsierende Drohung. „Wenn du am Leben bleiben willst, bleib weit weg von mir!“ Im nächsten Moment ließ er Finn los, sprang auf und rannte aus dem Raum. Die Haustür schlug mit einem lauten Krachen zu.
Fassungslos, hustend und würgend richtete sich Finn auf, die Hände an die schmerzende Kehle gepresst. Heftig rang er nach Luft und starrte Dave fassungslos hinterher. Sein Mund stand offen, seine Kehle zog sich schmerzhaft zusammen. Obwohl der würgende Griff fort war, hatte er das Gefühl, das ihm die Luft zum Atmen fehlte. Sein Herz musste ausgesetzt haben, denn es schlug nun langsam, schwerfällig, als ob es verlernt hätte, wie es zu arbeiten hatte. Taubheit breitete sich erneut in seinen Gliedern aus, die eigenartige Stärke war verschwunden.
Um Himmels willen, was war da gerade passiert? Was hatte er Dave getan?
Finn vermochte sich nicht zu bewegen. Alles in ihm war erstarrt, zu Eis gefroren, drohte bei der kleinsten Bewegung zu zersplittern.
Das ist nicht geschehen, hämmerte ihm sein Verstand endlos wie ein Mantra ein. Das ist nur ein Traum! Du wachst gleich wieder auf und Dave ist hier, bei dir! Das kann doch nur ein Albtraum sein. Nicht real. Auf gar keinen Fall! So etwas gab es nicht mal in einem Film!
Gerade hatte er doch Dave seine Liebe gestanden! Kein Drehbuch der Welt sah vor, dass ihm sein Geliebter nach diesen besonderen Worten an die Kehle ging.
Bleib weg von mir! Daves drohende Worte hallten in Finns Ohren wieder. Benommen schüttelte er den Kopf. Er fühlte sich leer, ausgelaugt, taub, und die eisige Leere breitete sich unaufhaltsam überall aus.
„Warum?“, kroch es ihm unendlich zäh leise von den Lippen. Warum nur? Was hatte Dave in Panik versetzt? Dass er ihn liebte? Aber wieso? Was war daran falsch?
Finn begann zu zittern; sein ganzer Körper schien mittlerweile aus Eis zu bestehen. Wenn er sich bewegte, würde er einfach in tausend kleine Eisstückchen zerspringen. Vielleicht war das auch gut so. Er wollte gerade einfach nur vergehen, verschwinden, versinken, verblassen.
„Dave ...“, entrang es sich ihm leise, gequält und heiße Tränen stiegen ihm in die Augen. Kraftlos fielen seine Arme neben ihm zu Boden. Er konnte nur auf die offene Tür starren.„Dave!“, rief Finn lauter, hilflos, verletzt und voller Enttäuschung, Fassungslosigkeit und unglaublicher Trauer. „Dave!“ Er schrie. Er brüllte seinen Namen, bis er keine Luft mehr zum Atmen hatte und seine Stimme versagte. Die Tränen quollen unaufhaltsam mit aller Macht hervor, rannen in breiten, heißen Strömen über sein Gesicht, nahmen ihm die Sicht. Schluchzend warf er sich auf den Boden, krümmte seinen Körper zusammen. Mehrfach hieb er mit der Faust auf den Boden, so lange, bis seine Knöchel aufplatzten und bluteten. Finn bemerkte es nicht. Der Schmerz saß woanders. Tiefer. Finn war darin gefangen. Der Schmerz des Verlusts, der Hilflosigkeit, der Fassungslosigkeit dominierte alles.
Die Erkenntnis sickerte zäh in seinen betäubten Verstand.
Er hatte Dave verloren.
Mit irgendetwas hatte er ihn verärgert. Etwas hatte er gesagt oder getan, das Dave von ihm fort getrieben hatte. Alles zerstört! Finn hatte alles verloren, was er so sehnlichst begehrt hatte. Sein Traum war in einer gewaltigen Welle aus Schmerz untergegangen.
Alles verloren.
Aber warum? Warum nur? Warum? Warum? Warum?
Wie lange kann man einfach liegen bleiben, ohne sich zu bewegen?
Finn blinzelte. Wie viele Stunden? Vielleicht Tage? Der Gedanke hatte etwas Tröstliches.
Wenn er sich nicht bewegte und einfach nur weiter an die Decke starrte, würde der Schmerz irgendwann vergehen, sich auflösen wie Nebel? Würde die Zeit stehen bleiben? Die Welt? Vielleicht konnte er einfach irgendwann aufstehen und nichts mehr fühlen. Nie wieder. Taubheit für immer. Alles war besser als dieser wabernde, stechende Schmerz, der in ihm wütete.
Finn starrte an die Decke, konzentrierte sich auf die Muster aus Licht und Schatten, versuchte, alle Gedanken darauf zu konzentrieren und alles andere auszuschalten. Solange er nicht blinzeln musste, schien das zu funktionieren.
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