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Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition)

Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition)

Titel: Die Anderen - Das Erbe erwacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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stützte sich auf seine blutverkrusteten und schmerzenden Hände. Betroffen betrachtete er die aufgeplatzten Knöchel. Hatte er sich diese Wunden wirklich selbst zugefügt? Musste wohl so gewesen sein. Sie schmerzten nicht mal sehr stark. Zumindest nicht im Vergleich zu seinem inneren Schmerz.
    Schwerfällig zog er sich am Bett hoch und setzte sich auf die Kante, vergrub den schmerzenden Kopf zwischen den Händen. Abermals schlichen sich die Tränen an, wollten ihn überwältigen und er drängte sie unvollständig zurück. Erst jetzt fiel ihm auf, dass seine Unterhose ihm in den Kniekehlen hing.
    Vergiss es, ermahnte ihn sein Verstand, als prompt die Erinnerungen an den Sex, den letzten Sex mit Dave, zurückkamen. Vergiss alles und nun los! Bewege dich ins Badezimmer, feuerte ihn sein Verstand an.
    Finn gehorchte mechanisch, stand auf und zog seine Unterhose hoch. Er schwankte leicht und ein Schwindel ergriff ihn, dennoch setzte er tapfer mit gesenktem Kopf einen Fuß vor den anderen, bis er endlich gegen die Tür des Badezimmers stieß. Er lehnte den Kopf dagegen und erneut hob sich seine Brust in einem tonlosen Schluchzen.
    Weiter! Los bewege dich endlich, willst du hier Wurzeln schlagen?
    Du benimmst dich wie ein kleines Mädchen, heulend und leidend. Du bist ein Mann! Bewege dich endlich da rein. Sein Verstand trieb ihn gnadenlos vorwärts, erlaubte ihm keine Schwäche.  
    Finn fand sich gleich darauf im Badezimmer wieder, stellte die Dusche an und stand bald darauf, mit der Stirn an die Wand, an die kühlen Fliesen gelehnt, hoffte, dass das Wasser den Schmerz mit fortspülen würde. Das Wasser war viel zu
    kalt, aber er wollte sich nicht bewegen, um es wärmer zu schalten. Er wollte sich gar nicht mehr bewegen. Das gleichmäßige Rauschen schien den Schmerz zu betäuben. Nach einer halben Stunde zwang ihn sein Verstand dazu, das Wasser doch auszuschalten und die Dusche zu verlassen. Irgendwo in Finn sprang ein Automatismus an, der ihn vorantrieb, der die kleinen Zahnrädchen des täglichen Lebens mit einem leisen „Klick, klick“ ineinandergreifen ließ. Abtrocknen, rasieren, kämmen, die Haare trocken föhnen, Zähne putzen.
    Finn bewegte sich zurück zum Schlafzimmer und sank nackt auf das Bett. Bestimmt eine Stunde saß er unentschlossen da, starrte blicklos auf seine blanken Füße.
    Er wollte so gerne vergessen. Er brauchte irgendetwas, um dem Schmerz zu entkommen. Wie das Rauschen des Wassers, etwas, das ihn einfach vergessen ließ. Sein Blick wanderte zu seinen Laufschuhen. Gedankenverloren sah er sie an. Dann stand er mechanisch auf, trat an seinen Schrank heran, suchte sich seine Laufkleidung heraus und zog sie an. Finn schlüpfte in die Schuhe und band die Schnürsenkel zu. Es war eine Routine, die er kannte, unzählige Male durchgeführt. Beim Laufen bekam er immer den Kopf frei. Es war wie eine Droge. Heute eine Schmerzdroge.
    Finn ging in den Flur, nahm den Schlüssel an sich und öffnete die Tür. Grelles Licht blendete ihn, brannte in seinen rotgeränderten Augen, trieb ihm abermals Tränen hinein. Draußen hatte ein strahlend schöner Tag begonnen. Die Sonne lachte Finn ungeniert aus, die Vögel giggelten hinter seinem Rücken und die paar Menschen, denen er begegnete, grüßten ihn übermäßig freundlich.
    Finn nahm nichts wirklich wahr. Er bewegte sich automatisch, funktionierte wie eine gut eingestellte Maschine. Ohne Dehnen, ohne Warmmachen lief er los. Einfach nur laufen, den Kopf frei, in den Takt kommen, eins werden mit den Bewegungen, einfach fließen ...  Seine Füße trugen ihn voran und sein Körper fand rasch in seinen gewohnten Rhythmus. Finn vergaß zu denken, zu fühlen, denn sein Körper bewegte sich unabhängig von ihm vorwärts. Ohne Finns Zutun mobilisierte er Energiereserven, versorgte die Muskelzellen mit Sauerstoff. Lange antrainierte Bewegungsmuster funktionierten ohne bewusstes Denken und Finn lief sich in einen regelrechten Rausch hinein, in dem er nicht mehr denken brauchte, nur noch lief, lief, lief.
    Ohne auf die Warnungen seines Verstandes, der die sinkende Anzeige seiner Energiereserven im Blick behielt, zu achten, lief er vorwärts. Ohne Ziel. Egal. Alles war egal. Finn lief so lange, bis sein Körper sein Limit erreicht hatte und dann noch etwas darüber hinaus. Es zählte nur, den Schmerz zu vergessen.
    „Hallo?“
    Wo kam die Stimme her?
    Finn blinzelte irritiert. Langsam kehrten seine Sinne und Empfindungen zurück. Er vernahm eine fremde Stimme, er

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