Die Anderen IV - Der Weg aus der Dunkelheit (German Edition)
auch die anderen, irgendwo in der großen Halle neben seinem Gefängnis.
Weit entfernt vernahm er die Geräusche ihrer Bewegungen. Schuppen, die aneinander rieben, Krallen, die über den Steinfußboden kratzten, grunzende, knurrende Geräusche, und Laute, die nie und nimmer von menschlichen Kehlen verursacht werden konnten. Kein Mensch hatte derartige Stimmbänder oder gar das passende Maul, um solche Töne hervorzubringen.
Die Augen geschlossen zu halten, schützte Finns panischen Verstand zumindest vorläufig davor, einfach auf und davon zu wandern und ihn hier alleine im Stich zu lassen. Oder wirkungsvoll in einer Rauchwolke zu verdampfen. Oder seinen Kopf explodieren zu lassen. Was auch immer ein Verstand tun würde, der an seine absolute Grenze getrieben worden war.
Der Wahnsinn lauerte direkt hinter Finns geschlossen Augen, bereit, ihn jederzeit in einen schrecklichen Abgrund zu reißen, aus dem es kein Entkommen mehr gab.
Wenn er, wie seine innere Stimme ihm tunlichst riet, die Augen verschlossen hielt und die Dämonen nicht sah, konnte er seinem zitternden, in einer Ecke seines Kopfes zusammengekauerten Verstand zumindest zeitweilig glauben machen, dies alles wäre nur ein irgendwann endender Albtraum. Leider ein sehr realistischer.
Abermals unterdrückte Finn mühsam ein Zittern, welches mittlerweile nicht nur aus der Angst resultierte, sondern auch aus der klammen, feuchten Kälte, die über seinen entblößten Körper glitt. Seine Muskeln schmerzten.
Seit die drei Dämonen ihn angegriffen, niedergeschlagen und überwältigt hatten und er in diesem Albtraum wieder zu sich gekommen war, hatte er eigentlich kaum jemals aufgehört zu zittern oder Angst zu verspüren.
Er presste die Augenlider fester aufeinander und erlebte erneut, wie er in seiner Wohnung zu Boden gegangen war, die Hand verzweifelt nach dem Siegel ausgestreckt, das nur wenige Zentimeter außerhalb seiner Reichweite gelegen hatte. Hätte er nur etwas längere Finger gehabt, sich nur etwas weiter strecken können ... Er hatte es fast erreicht. Aber eben nur fast.
Dies ist eben die grausame Realität und kein Film, dachte er bedauernd. Als die Kralle des Dämons in seine Schulter eingedrungen war, hatte er noch nach ihm getreten, bevor der Schmerz ihn betäubt hatte und alles dunkel geworden war. Er war erst hier aufgewacht. Mitten in diesem Albtraum.
Wobei das „Hier“ noch immer zu klären wäre, bemerkte sein verschreckter Verstand aus seinem Versteck heraus. Irgendwo, unter der Erde vermutlich, soviel wagte er zu vermuten. Und aufgewacht, ist der falsche Begriff für den Albtraum, in dem du dich wiederfindest.
Die Umgebung, die Finn zuvor hatte erkennen können, war albtraumhaft genug gewesen. Der Kerker, in dem er sich befand, war so, wie man ihn sich in jedem Horrorfilm wünschen würde. Die Kulissenbauer hatten ganze Arbeit geleistet und die Stimmung eines düsteren Verlieses gut getroffen, in dem Folterungen und ein langsames Verhungern nicht nur möglich, sondern überaus wahrscheinlich erschienen.
Es war ziemlich dunkel und es gab steinerne Wände, die im unruhigen und dürftigen Fackelschein grauweiß leuchteten. Der Geruch von vermodertem Holz und Alter durchtränkte die feuchte Luft. Stark verrostete Gitterstäbe, Staub und verfaulte Holztüren vermittelten den Eindruck eines Ortes, der Jahrhunderte lang nicht benutzt worden war. Entfernt roch es noch immer nach Salz und Finn vermutete daher, dass sie sich irgendwo unter Lüneburg in der Nähe der Salzstollen befanden. Aber die Wände hier waren kein Salz. Sie glitzerten nicht, sondern waren aus festem Felsgestein.
Von seiner, unzureichend ausgeleuchteten Zelle konnte man einen Blick durch nur noch halb existierende, morsche Gitterstäbe, auf eine recht große, unterirdische Halle werfen. In dieser hatten sich die Dämonen weiträumig verteilt.
Finn bewegte zaghaft seine Finger. Sie kribbelten, denn seine Arme und Hände waren mit Seilen über seinen Kopf gefesselt. Nicht mehr lange und sie würden taub und gefühllos sein. Seine Füße berührten gerade mal eben mit den Zehen den Boden. Dadurch schwang er nahezu frei hin und her, wenn die Dämonen ihn anstießen.
Es war kalt und feucht, er hatte entsetzliche Angst und Schmerzen. Derzeit fühlte sich Finn einfach nur schrecklich. Das einzig Positive in seiner Situation war, dass er noch am Leben war. Zumindest versuchte er sich das permanent einzureden.
Die Frage, wo genau er war, kreiste in Finns Kopf, nahm an
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