Die Angst der Woche
Eintracht Frankfurt hatte 31 Tore geschossen und 49 eingefangen, der Drittletzte Mönchengladbach 48 und 65 â je weniger man selbst schieÃt, desto besser trifft die Konkurrenz.
Andere Negativkorrelationen bestehen zwischen dem Preis eines Gutes und dem mengenmäÃigen Verkauf: Je billiger, desto mehr wird abgesetzt, je teuerer, desto weniger.
Sehr oft wird nun eine Korrelation als Indiz für eine Kausalbeziehung angesehen. Das kann durchaus zutreffen, muss aber nicht. Bei Preisen und verkauften Mengen trifft es zu: Der reduzierte Preis ist die Ursache für die erhöhte Absatzmenge. Aber genauso oft hat eine Korrelation mit Kausalität überhaupt nichts zu tun. So gibt es zum Beispiel bei Männern eine hohe negative Korrelation zwischen dem Einkommen und der Zahl der Haare auf dem Kopf: je weniger Haare, desto mehr Geld.
Soll ich nun zum Friseur gehen und mir eine Glatze scheren lassen? Das wird mein Einkommen wohl kaum berühren, eher sogar reduzieren, weil nun alle denken, der Krämer spinnt. Diese negative Korrelation kommt dadurch zustande, dass bei Männern mit wachsendem Alter das Einkommen steigt und die Haare ausfallen. Mit anderen Worten, eine dritte Variable im Hintergrund, das Lebensalter, wirkt kausal auf Einkommen und Haare ein, zwischen den beiden Ausgangsvariablen selbst ist dagegen keinerlei Kausalbezug vorhanden. So gibt es in Deutschland etwa auch eine perfekte positive Korrelation zwischen den Belegungszahlen der bundesdeutschen Trinkerheilanstalten und den Apfelsinenimporten aus Portugal: je mehr Apfelsinen, desto mehr Säufer. Aber doch nicht, weil Apfelsinen uns zu Säufern machen, sondern weil seit dem Zweiten Weltkrieg sowohl die Apfelsinenimporte aus Portugal als auch die Belegungszahlen der bundesdeutschen Trinkerheilanstalt aus unabhängigen Gründen beide angestiegen sind. Und wie man sich leicht klarmachen kann, haben zwei Zeitreihen mit positivem Trend auch immer eine hohe positive Korrelation.
Wenn ich also in der Liste der obigen Meldungen lese: »Dicke Freunde machen dick«, so sagt das zunächst einmal nur: »Dicke Menschen haben dicke Freunde, dünne Menschen haben dünne Freunde.« Bin ich jetzt dick, weil ich dicke Freunde habe, oder habe ich dicke Freunde, weil ich mich zu dicken Menschen hingezogen fühle? »Die Autoren wollten wissen, ob es Zusammenhänge zwischen der Gewichtszunahme einer Person mit der Gewichtsentwicklung ihrer Freunde, Geschwister oder des Ehepartners gibt«, ist in der Meldung zu lesen. »Der Studie zufolge ist der Einfluss der besten Freunde höher [57 Prozent] als der von Geschwistern oder Ehepartnern. Wird der eigene Bruder oder die Schwester übergewichtig, erhöht sich das eigene Risiko um rund 40 Prozent. Schwestern beeinflussen sich dabei mehr als Brüder. Wird ein Ehepartner übergewichtig, hat der andere ein um 37 Prozent erhöhtes Risiko, ebenfalls übergewichtig zu werden.«
Ja, warum denn wohl? Doch nicht, weil das Ãbergewicht des einen das Ãbergewicht des anderen kausal bedingt, sondern weil beide oft das Gleiche essen! Derartige Fehlinterpretationen von Korrelationen aller Art grassieren selbst in angesehenen Fachzeitschriften und vergiften einen groÃen Teil der epidemiologischen Literatur.
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Die obige Alarmliste ist ausschlieÃlich deutschen Printmedien entnommen. Ist das in anderen Ländern anders?
Ja, es ist in anderen Ländern anders. Auch die New York Times und der Corriere de la Sera haben Probleme mit der GröÃe und der Medienrelevanz einer Gefahr. Aber die schiere Menge an Angstmeldungen ist geringer und die Platzierung längst nicht so prominent. Nicht ohne Grund hatte ich für dieses Buch zunächst den Untertitel »Hysterie als Standortnachteil« vorgesehen, und zwar als Standortnachteil für die Bundesrepublik. Dazu habe ich einmal für die Jahre 2000 bis 2010 den redaktionellen Gehalt ausgewählter nationaler und internationaler Tageszeitungen nach Panikmeldungen durchsucht. Für die deutschen Zeitungen stand mir dafür die Genios-Datenbank mit allen Volltexten dieser Jahre, für die meisten ausländischen Zeitungen das Archiv der Online-Netzausgaben zur Verfügung. Wie sich aber für die deutschen Zeitungen durch einen Vergleich von Genios und Online leicht überprüfen lässt, macht das für die reinen Mengen an Angstberichten keinen Unterschied.
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