Die Angst der Woche
verstört, schockiert, ungläubig auf die Ereignisse in Japan. Aber Hysterie, Unprofessionalität und vor allem Gefühl- und Taktlosigkeit bis zum Zynismus: das war das ganz besondere Markenzeichen der deutschen Reaktion.«
»Die deutsche Haltung zu Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe war eine Aneinanderreihung von peinlichen Desastern. Es war, als ginge für die Deutschen eine Welt unter. Weniger, weil man Angst um Landsleute hatte (die hatte man auch, wie AuÃenminister Guido Westerwelle gleich in seinen ersten Stellungnahmen taktvoll betonte), sondern weil Theologieprofessor Jürgen Manemann schon am 12. März die Schicksalsfrage aufwarf: âºBleiben wir weiterhin apokalypseblind?â¹ Nein, das wollten die Deutschen sich keineswegs vorwerfen lassen.«
»Die Angst ist heute ein Meister aus Deutschland«, schlieÃt Zöllner seine Analyse. »Wer solche Freunde hat, braucht keinen Super-GAU.«
Ich habe während der letzten Atomkrise in Japan zwischen deutschen Nachrichtensendungen und der BBC und CNN hin- und hergeschaltet â ein Unterschied wie Tag und Nacht. Während englische und amerikanische Reporter und Kommentatoren das taten, was gute Reporter und Kommentatoren tun â berichten und kommentieren, ansonsten aber persönliche Meinungen und Gefühle für sich behalten, war den deutschen Journalisten, vor allem denen an der Heimatfront, der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Sie schienen geradezu nach neuen Horrormeldungen zu lechzen und enttäuscht zu sein, wenn keine kamen. Besonders die Desinformation durch die ARD nahm zuweilen kriminelle Formen an. Bei groÃen Weltereignissen schalte ich seit diesen Tagen grundsätzlich sofort auf BBC und CNN.
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Wie wir die Fakten also auch drehen und wenden: Im Angstmachen sind die deutschen Medien wirklich Spitzenreiter. Und diese Tendenz, die Gefahren und Risiken des modernen Lebens herauszustellen, spiegelt sich in einer überproportionalen Bereitschaft des Publikums, dann auch tatsächlich Angst zu haben. Wo war auf dem Höhepunkt der BSE-Krise der Rückgang des Rindfleischkonsums am höchsten? In dem Land, in Deutschland, das am wenigsten betroffen war. Wo verzichtet man beim kleinsten Dioxinverdacht sofort auf seine Frühstückseier? Wo wurde nach den Milzbrandattacken in den USA bei Puderzucker auf Paketen nach der Feuerwehr gerufen? Wo löst eine tote Saatkrähe als Erstes eine Vogelgrippepanik aus? Wo kann eine Zeitschrift wie Ãko-Test mit Trivialmeldungen über die Existenz von Giften immer wieder neue Leser finden, die dafür auch noch freiwillig Geld bezahlen? Wo gibt es die meisten Umweltkranken, und in welchen Land auÃer Deutschland gibt es Mahnwachen nach jedem gröÃeren Unfall in einem Kernkraftwerk?
Laut Google Trends wurde in keiner anderen Nation des Westens nach dem letzten Atomdesaster in Japan so häufig und intensiv über die Apokalypse gesprochen wie bei uns, »ein geradezu apokalyptisches Ausmaë sollte es nach Meinung von Bundeskanzlerin Angela Merkel haben, »durchaus ein angebrachter Begriff«, so auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Und die Evangelische Kirche in Deutschland (aber nur in Deutschland) entblödete sich nicht, sogar ein passendes Gebet mit dem Titel »Apokalypse Japan« auf den Markt zu werfen; sie verkaufte das Geschehen in Japan als »ein apokalyptisches Zeichen im biblischen Sinn«.
Das Wort »Apokalypse« ist im Japanischen übrigens unbekannt. »Sehr zum Erstaunen der deutschen Ãffentlichkeit wollen sich die Japaner auch nach gut zwei Wochen noch nicht damit abfinden, dass die Sonne, bildlich gesprochen, für sie untergegangen sein soll«, kommentierte der Bonner Japanologieprofessor Reinhard Zöllner in der Berliner Welt .
Mit dieser Hysteriebereitschaft geben die Deutschen dem Rest der Erde Rätsel auf. Oder ist eine Meldung wie die folgende in Le Monde oder im Figaro vorstellbar? »Die steigende Zahl der Schweinegrippefälle beschäftigt auch die Kirchen. Am Donnerstag veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz in Bonn erstmalig allgemeine Handlungsempfehlungen für den Infektionsschutz in Gottesdiensten. Dennoch herrscht Verunsicherung. Abendmahl, Weihwasser, Mundkommunion, Friedensgruàâ wie gefährlich sind diese Riten in Zeiten der Schweinegrippe? Jens Peter Iven, Pressesprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland,
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