Die Angst der Woche
insoweit bei Abschätzungen anhand praktischer Vernunft bleiben. Ungewissheiten jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft sind unentrinnbar und insofern als sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen« ( BVerfG: Beschluss vom 08.08.1978 â 2BvL 8/77) .
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Die zentrale Mahnung des Gerichts lautet: Bei Abschätzungen bitte die praktische Vernunft verwenden. Und das heiÃt doch nichts anderes, als bei allen Gefahren immer wieder von Neuem nachzudenken: Wie viel bin ich bereit, davon zu tolerieren? Und eventuell: zu welchem Preis? Und ab wann habe ich das Recht zu sagen: Bis hierher und nicht weiter, es reicht?
Das führt dann sofort zum abschlieÃenden dritten Schritt, einer vernunftgesteuerten, auf die Erkenntnisse der Wissenschaft gestützten Grenzwertdiskussion. Ein nachahmenswertes Vorbild sind hier die MAK-Werte der Deutschen Forschungsgemeinschaft (MAK = »Maximale Konzentration am Arbeitsplatz«). Diese MAK-Werte sind »die höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebestoff in der Luft am Arbeitsplatz, die nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis auch bei wiederholter und langfristiger, in der Regel täglicher achtstündiger Exposition, bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (in Vierschichtbetrieben 42 Stunden je Woche im Durchschnitt von vier aufeinanderfolgenden Wochen) im Allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt und diese nicht unangemessen belästigt.« Danach sind folgende Höchstbelastungen erlaubt, gemessen in Milligramm pro Kubikmeter Luft am Arbeitsplatz: 0,015 Milligramm Cadmium, 0,1 Milligramm Blei, 0,1 Milligramm Arsensäure, 0,1 Milligramm Quecksilber, 0,2 Milligramm Dieselmotorabgase, 0,2 Milligramm Ozon, 0,25 Milligramm Uran, 0,37 Milligramm Formaldehyd, 0,5 Milligramm Getriebeöl, 0,5 Milligramm Nickel, 0,5 Milligramm Nitroglycerin, 1 Milligramm Kupfer, 1,5 Milligramm Aluminium, 1,5 Milligramm Chlor, 2 Milligramm Eichenholzstaub, 5 Milligramm Schwefeldioxid, 5 Milligramm cyanidhaltiges Spülwasser, 6 Milligramm Grafitstaub, 25 Milligramm Essigsäure, 35 Milligramm Ammoniak, 560 Milligramm Terpentin, 1800 Milligramm Propan und 9000 Milligramm Kohlendioxid. Die Liste dieser Stoffe wie auch die MAK-Werte selbst werden jährlich angepasst; der jeweils neueste Stand ist in den »Technischen Regeln für Gefahrstoffe« (TRGS 9000) nachzulesen.
Ebenfalls für den Arbeitsplatz gedacht sind die sogenannten TRK-Werte (»Technische Richtkonzentration«) und BAT-Werte (»Biologischer Arbeitsplatztoleranzwert«). Diese messen einmal die technische Machbarkeit (TRK) oder die Konzentration eines Stoffes im Blut oder im Urin der Arbeitnehmer. Für den »Normalbürger« zuständig sind dagegen die von der Weltgesundheitsorganisation ermittelten ADI-Werte (ADI = »acceptable daily intake«), das sind diejenigen Mengen eines Stoffes, die auch bei lebenslanger Aufnahme aller Wahrscheinlichkeit nach nie der Gesundheit schaden werden. Sie werden in Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht ausgedrückt und enthalten so auch gleich einen Kinderschutz (Kinder sind leichter und dürfen weniger belastet werden). Ermittelt man dann noch, wie viel die Menschen im Durchschnitt essen, trinken und einatmen, lassen sich Höchstmengen von Stoffen in Lebensmitteln, Wasser und Luft bestimmen, wie zum Beispiel 0,05 Milligramm Quecksilber, 0,5 Milligramm Blei oder 0,075 Milligramm Cadmium pro Kilogramm.
Dann gibt es in Deutschland noch die sogenannten Richtwerte, das sind Grenzwerte für Lebensmittel. Sie wurden früher vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) in Berlin bestimmt und sind nur Empfehlungen ohne Gesetzeskraft; betroffene Lebensmittel sind nicht automatisch zu beanstanden. In einigen Fällen darf ein Lebensmittel aber nicht mehr in Verkehr gebracht werden, etwa wenn das Quecksilber in Fisch 1 Milligramm pro Kilogramm oder im Trinkwasser 0,001 Milligramm pro Liter überschreitet. Weitere Richtwerte sind 0,07 Milligramm Blei pro Kilo Kalbsleber, 0,1 Milligramm Cadmium pro Kilo Blattgemüse usw.
Wieder andere Ãberlegungen sind für Grenzwerte bei der Strahlenbelastung zuständig; hier gibt es anders als bei Giften keine Unschädlichkeitsgrenze.
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