Die Angst der Woche
der wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen. Annahmen und Ableitungen sind zu begründen und der Ãffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Ergebnis der Risikoabschätzung soll nicht allein als einzelne Zahl (Punktschätzung des Risikos, Schwellenwert) dargestellt werden, sondern es sind auch die Zuverlässigkeit der Aussage, die Unsicherheiten der Abschätzung sowie die Rahmenbedingungen, unter denen die Risikoangabe gilt, zu kommentieren.«
Zur Umsetzung empfiehlt die Kommission verbindliche Leitlinien zum Umgang mit Nichtwissen und Unsicherheit. AuÃerdem sei sicherzustellen, »dass normative Vorgaben, die nicht durch Wissenschaftler gesetzt werden sollten, zu Beginn des Verfahrens durch dazu legitimierte Gremien eingebracht werden«.
Also Schluss mit der unerträglichen selbstgerechten Arroganz von Greenpeace, foodwatch oder WWF?
Als Drittes empfiehlt die Kommission, dass alle Risikoregulierungen »einen transparenten Vergleich von Handlungsoptionen unter Einbezug von deren voraussichtlichen Konsequenzen enthalten« sollten. Nötig dazu sei »ein Leitfaden zur Durchführung von Abwägungen, Richtlinien für die Dokumentation von Zielkonflikten und deren Lösungen und rechtsverbindliche Vorschriften zu Beteiligungsverfahren für die Ãffentlichkeit, die über bloÃe Anhörungen hinausgehen«.
Leider ist es â von Ausnahmen abgesehen â bis jetzt bei diesen Empfehlungen geblieben. So hat etwa das in Berlin ansässige Bundesinstitut für Riskobewertung (BfR) gewisse Aufgaben der Risikokommission übernommen. »Die Arbeit des BfR für den gesundheitlichen Verbraucherschutz zeichnet sich durch ihren wissenschaftlichen, forschungsgestützten Ansatz aus. Auf die gesundheitlichen Bewertungen und Handlungsoptionen des Instituts können die für das Risikomanagement verantwortlichen Behörden zugreifen. Die Arbeitsergebnisse und Empfehlungen des BfR dienen allen interessierten Kreisen als wichtige Entscheidungshilfe für MaÃnahmen. Mit seiner wissenschaftsbasierten Risikobewertung gibt das BfR wichtige Impulse für den gesundheitlichen Verbraucherschutz innerhalb und auÃerhalb Deutschlands.«
Es bleibt nur zu hoffen, dass dann nicht nur die verantwortlichen Behörden, sondern auch die Medien und die Mediennutzer auf diese Impulse hören.
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Es verbleiben zwei Probleme, eines der Behörden und eines der Bürger, die einem Funktionieren dieses Ansatzes im Wege stehen. Beginnen wir mit den Behörden. »Wo muss der Staat eingreifen, wo nicht?«, fragt die Risikokommission nicht ohne Grund. Denn unsere Risikoregulierer, selbst wenn sie streng rational vorzugehen meinen, schieÃen leider oft über ihr Ziel hinaus und tendieren zu einer Ãberregulierung. »Ob Gammelfleisch im Döner oder Dioxin im Frühstücksei: Die Reaktion der Politik auf die Welle der öffentlichen Empörung ist immer gleich«, schreibt Stefan Borstel in der Welt , »es wird Abhilfe mittels neuer und verschärfter Gesetze versprochen.«
Aber diese Gesetze schaden oft mehr, als dass sie nutzen, so wie die jüngste Verschärfung des Verbraucherinformationsgesetzes als Folge des Dioxinskandals von Anfang 2010 (übrigens eine deutsche Spezialität, kein anderes Land der Welt leistet sich ein eigenständiges Gesetz zur Verbraucherinformation). »Bei näherer Betrachtung erweist sich die angekündigte Reform als purer Aktionismus«, kritisiert Borstel. »Warum werden Lebensmittel sicherer, wenn sich Bürger künftig bei den Behörden auch Informationen über Haushaltsgeräte einholen können?«
Oder ist es zum Beispiel wirklich nötig, und das ist kein Aprilscherz, in Deutschland eine Zwangsversicherung abschlieÃen zu müssen, wenn man im Herbst einen Drachen steigen lassen will?
In Deutschland ist es nötig. Ein Flugdrachen ist ein Luftfahrzeug. Und damit unterliegt er der neuen Luftverkehrszulassungsordnung von 2005; wer etwa denkt, er könne wie früher mit seinen Kindern einen schönen Drachen basteln und den bei Wind auf einer Wiese steigen lassen, befindet sich in einem möglicherweise kostenträchtigen Irrtum. »Ohne einen entsprechenden Versicherungsschutz ist es im nächsten Herbst aus mit dem Drachensteigenlassen, da Sie damit gegen diese neue Verordnung verstoÃen; es sei denn, Sie verfügen über einen entsprechenden
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