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Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Titel: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Handke
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herauszog. Auf den Bänken saßen die Schulkinder, die auf den Autobus warteten.
    Vor einem Obststand blieb er stehen, aber er stellte sich so weit weg davon, daß ihn die Frau hinter dem Obst nicht anreden konnte. Sie schaute ihn an und wartete, daß er einen Schritt näher kam. Ein Kind, das gerade vor ihm stand, sagte etwas, aber die Frau antwortete nicht. Als dann ein Gendarm, der sich von hinten genähert hatte, dicht genug vor dem Obst stand, sprach sie ihn sofort an.
    In dem Ort gab es keine Telefonzelle. Bloch versuchte, vom Postamt aus einen Freund anzurufen. Er wartete auf einer Bank in dem Schalterraum, aber das Gespräch kam nicht. Um diese Tageszeit seien die Leitungen überlastet. Er beschimpfte die Beamtin und ging weg.
    Als er, außerhalb des Ortes, am Bad vorbeiging, sah er, daß zwei Gendarmen mit Fahrrädern auf ihn zukamen. Mit Umhängen! dachte er. Wirklich trugen die Gendarmen, als sie vor ihm hielten, Umhänge; und als sie vom Rad stiegen, zogen sie nicht einmal die Fahrradklammern von den Hosen. Wieder kam es Bloch vor, als schaue er einer Spieluhr zu; als hätte er das alles schon einmal gesehen. Er hatte die Tür im Zaun, die ins Bad hineinführte, nicht losgelassen, obwohl sie verschlossen war. »Das Bad ist geschlossen«, sagte Bloch.
    Die Gendarmen, die die vertrauten Bemerkungen machten, schienen dennoch damit etwas ganz andres zu meinen; jedenfalls betonten sie Wörter wie ›Geh weg!‹ und ›beherzigen‹ absichtlich falsch als ›Gehweg‹ und ›Becher-Ziegen‹, und versprachen sich ebenso absichtlich, indem sie ›zur rechten Zeit fertig‹ statt ›rechtfertigen‹ und ›ausweißen‹statt ›ausweisen‹ sagten. Denn welchen Sinn sollte es haben, daß ihm die Gendarmen von den Ziegen des Bauern Becher erzählten, die, als die Tür einmal offengelassen worden war, in das noch gar nicht eröffnete Gemeindebad eingedrungen waren und dort alles, sogar die Wände des Bad-Cafés, beschmutzt hatten, so daß man die Räume wieder ausweißen mußte und das Bad nicht zur rechten Zeit fertig wurde; weshalb Bloch die Tür auch verschlossen lassen und auf dem Gehweg bleiben solle? Wie zum Hohn unterließen die Gendarmen, als sie weiterfuhren, auch die üblichen Grußbezeigungen oder deuteten diese jedenfalls nur so an, als ob sie damit etwas sagen wollten. Sie schauten nicht über die Schultern zurück. Um zu zeigen, daß er nichts zu verbergen hatte, blieb Bloch noch am Zaun stehen und schaute zur leeren Badeanstalt hinein; ›wie in einen offenen Schrank, zu dem ich gegangen bin und etwas herausnehmen wollte‹, dachte Bloch. Es fiel ihm nicht mehr ein, was er in der Badeanstalt gewollt hatte. Überdies wurde es finster; die Hausschilder der Gemeindebauten am Ortsrand waren schon beleuchtet. Bloch ging in den Ort zurück. Als zwei Mädchen an ihm vorbei zum Bahnhof liefen, rief er ihnen nach. Sie drehten sich im Laufen um und riefen zurück. Bloch war hungrig. Er aß im Gasthof, während imNebenzimmer schon der Fernseher zu hören war. Später ging er mit seinem Glas hinein und schaute zu, bis am Ende des Programms das Testbild erschien. Er ließ sich den Schlüssel geben und ging hinauf. Schon im Halbschlaf, glaubte er, draußen ein unbeleuchtetes Auto anfahren zu hören. Vergeblich versuchte er noch, sich zu fragen, warum ihm gerade ein unbeleuchtetes Auto eingefallen war; er mußte mittendrin eingeschlafen sein.
    Bloch erwachte von dem Knallen und Schnaufen auf der Straße, mit dem die Abfalltonnen in den Müllwagen gekippt wurden; als er aber hinausschaute, sah er, daß vielmehr die Falttür des Busses, der gerade abfuhr, sich geschlossen hatte und daß weiter weg die Milchkannen auf die Laderampe der Molkerei gestellt wurden; hier auf dem Land gab es keine Müllwagen; die Mißverständnisse fingen wieder an.
    Bloch erblickte in der Tür das Mädchen, auf ihrem Arm einen Stapel von Handtüchern und darauf eine Taschenlampe; noch bevor er sich bemerkbar machen konnte, war sie wieder draußen auf dem Gang. Erst durch die Tür entschuldigte sie sich, aber Bloch verstand sie nicht, weil er zugleich selber ihr etwas nachrief. Er folgte ihr auf den Gang; sie war schon in einem anderen Zimmer; mit einem überdeutlichen zweimaligenDrehen versperrte Bloch, wieder in seinem Zimmer, die Tür. Später ging er dem Mädchen, das schon einige Zimmer weiter war, nach und erklärte, es sei ein Mißverständnis. Das Mädchen, während es ein Handtuch über das Waschbecken legte, antwortete, ja, es sei

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