Die Angstmacher
Versicherer einen bestimmten Betrag. Viele erstatten 7,50 Euro, aber das kann regional abweichen. Wer in einem Zweipersonenhaushalt lebt und einen Monat nicht mit anpacken kann, kann durchaus mit einer Entschädigung von um die 1000 Euro rechnen – nur für den Haushaltsführungsschaden. Stefanie Jeske hätte Anspruch auf einige 1000 Euro gehabt. »Wie viele Geschädigte habe ich den Fehler gemacht, dass ich zu einem Feld-, Wald- und Wiesenanwalt gegangen bin«, sagt sie. Ein Fachanwalt für Familienrecht kann hoffentlich prima Scheidungen abwickeln, für die Schlacht mit einem Versicherer dürfte er in den meisten Fällen aber schlecht gerüstet sein.
Stefanie Jeske akzeptiert das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf widerwillig. Dabei wollte sie eigentlich bis zum Bundesgerichtshof. Doch dann macht das Knie wieder Ärger, weitere Behandlungen werden nötig. Die Ärzte haben zur Stabilisierung des Knies Zement in das Gelenk gefüllt. Der Körper zeigt dagegen Abwehrreaktionen. Die Behandlung kostet Geld. Stefanie Jeske war zum Zeitpunkt des Sturzes zwar bei der Betriebskrankenkasse Bergisch Land versichert, einer gesetzlichen Krankenkasse. Sie verunglückte zum Ende des Jahres. Zu diesem Zeitpunkt war der Wechsel in die private Krankenversicherung zum 1. Februar längst unter Dach und Fach, die Risikoprüfung war abgeschlossen. Seitdem ist sie nicht mehr bei der Krankenkasse, sondern der Continentalen privat versichert. Sie entschied sich aus Kostengründen für einen der sogenannten Einsteigertarife. Die sind billig, aber vieles zahlt der Versicherer nicht. Stefanie Jeske macht ihrer privaten Krankenversicherung keinen Vorwurf. »Die können mir ja nicht mehr geben, als ich auch abgeschlossen habe«, sagt sie. Eine ganzeReihe von Behandlungen, die nach ihrem Sturz nötig werden, zahlt die Continentale nicht, zum Beispiel keine Physiotherapie.
Nach der Abstoßreaktion braucht Stefanie Jeske Behandlungen, für die die Continentale nicht aufkommt. Sie wendet sich an die DBV Winterthur. Das Gericht hat ihr ja bestätigt, dass der Versicherer für weitere Kosten infolge der Verletzung zahlen muss. Die DBV ist ebenso wie die Muttergesellschaft AXA ein bedeutender privater Krankenversicherer. Wie das Geschäft läuft, müsste man dort eigentlich wissen. Als Stefanie Jeske sich an den Versicherer wendet, weil sie erneut eine Behandlung braucht, bekommt sie erstaunliche Post aus der »Zentraldirektion / OE 625« in Wiesbaden. »Laut hier vorliegenden Unterlagen waren Sie am Schadentag gesetzlich in der BKK Bergisch Land krankenversichert. Die in Rede stehenden Heilbehandlungen waren dort versichert. Es war Ihnen selbstverständlich unbenommen, in der Folgezeit privat Krankenversicherungsschutz bei der Continentalen zu nehmen. Im Rahmen der Schadenminderungspflicht waren Sie allerdings verpflichtet, sich – zumindest – so zu versichern, dass Sie die gleichen Leistungen wie bei der gesetzlichen Versicherung erhalten«, schreibt der Versicherer. Entstünden zusätzliche Kosten wegen eines Verstoßes gegen die Schadenminderungspflicht, müsse der Schädiger sie nicht tragen. Und geradezu zynisch geht es weiter: »Wir regen daher im Eigeninteresse dringend an, sich zukünftig ausreichenden Krankenversicherungsschutz zu suchen, der zumindest dem zum Unfallzeitpunkt bestehenden Versicherungsschutz entspricht.« Das wird für Stefanie Jeske nicht möglich sein. In die gesetzliche Krankenkasse kann sie nicht zurück, denn wer sich einmal für eine private Krankenversicherung entschieden hat, hat unter nur sehr eingeschränkten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Rückkehr. Die liegen bei Stefanie Jeske nicht vor. In der privaten Krankenversicherung nehmen die Unternehmen eine genaue Risikoprüfung vor, bevor sie Versicherungsschutz gewähren. Die Kosten für eine bestehende Verletzungabzusichern, weigern sich die Gesellschaften, oder sie erheben Zuschläge, die für Normalverdiener unerschwinglich sind.
Weil Treppensteigen mit dem kaputten Knie eine Tortur ist, ist Stefanie Jeske vom dritten Stock in die erste Etage gezogen. Sie prozessiert wieder mit der AXA, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Viel lieber würde sie die Sache gütlich bereinigen. Deshalb hat sie einen Brief an den Vorstandsvorsitzenden der AXA geschrieben. Verbraucherschützer und Anwälte empfehlen so etwas. Tatsächlich kommt es vor, dass die Führung eines Unternehmens nicht wirklich im Bilde ist, was übereifrige Sachbearbeiter machen. Denn es ist
Weitere Kostenlose Bücher