Die Angstmacher
durchaus ein Unterschied, ob ein Mitarbeiter eigenmächtig aus welchen Motiven auch immer die Schadenregulierung verweigert oder ob eine Gesellschaft ihre internen Weichen so gestellt hat. Mit einer Eingabe an den Vorstand eines Unternehmens können Geschädigte und unzufriedene Kunden manchmal etwas erreichen. Stefanie Jeske konnte das nicht. Sie schrieb an Frank Keuper, den damaligen AXA-Chef. Genützt hat es nichts. Er hat nicht einmal persönlich geantwortet.
Trotz allem, eines ist dem Versicherer nicht gelungen: Stefanie Jeske vollends zu zermürben. Sie ist fest entschlossen, für ihr Recht zu kämpfen. Sie ist optimistisch. Vieles hat sich in ihrem Leben geändert. Sie ist mittlerweile eine Art Expertin für Haftpflichtfragen. Die Nachbarn mit dem Mischlingshund sind 2011 weggezogen, das hat sie mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Denn erfreulich war es nicht, wenn man sich zufällig auf der Straße traf.
Die Unternehmerin hat viele Erfahrungen gesammelt. Wie die, dass Anwalt nicht gleich Anwalt ist. Sie will ihre Erfahrungen weitergeben. Deshalb hat sie Mitstreiter gesucht und die Organisation subvenio ins Leben gerufen. Die Interessengemeinschaft versteht sich als Lobbyorganisation für Unfallopfer. Interessierte bekommen hier unter anderem Listen mit Anwälten, die spezialisiert sind und die nur für Geschädigte arbeiten. In kurzer Zeit hat Stefanie Jeske allerhand auf die Beine gestellt.Sie hat einen Sponsor gefunden und einen Vermieter, der dem Verein kostenlos Räume zur Verfügung stellt. Deshalb kann sich die Organisation eine Geschäftsstelle in der Düsseldorfer Innenstadt leisten, eine Anlaufstelle für Geschädigte. Um Unfallopfern spätere Auseinandersetzungen mit dem Versicherer oder Traumatisierungen zu ersparen, setzt die Interessengemeinschaft auf Prävention. Sie informiert zum Beispiel darüber, was Unfallopfer bei Auseinandersetzungen mit Versicherern beachten sollten. Außerdem veranstaltet sie Tagungen und organisiert Referenten etwa für Fortbildungen für Polizisten. Ordnungskräfte können nach einem Unfall viel dafür tun, dass die psychische Belastung für Verletzte nicht unnötig steigt.
2. Wie weit der starke Arm der Assekuranz reicht
E igentlich wollte Stefanie Jeske nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf in die nächste Instanz ziehen, vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Dafür braucht man einen Anwalt, der eine spezielle Berechtigung hat. »Der erste Anwalt, den ich angerufen habe, hat gesagt: Ich kann Sie nicht vertreten, ich bin auch für die Versicherung tätig«, berichtet sie. Das war zu viel. Stefanie Jeske gab auf. »Ich wollte die Sache einfach abschließen«, sagt sie.
In Zivilverfahren müssen sich die streitenden Parteien von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Juristen vertreten lassen. Beim Bundesgerichtshof gibt es 39 zugelassene Anwälte. Die Finanzaufsicht BaFin beaufsichtigt rund 600 Versicherer. Auch die Unternehmen brauchen als Vertretung einen dieser Advokaten. »Die Spezialisierung dieser Anwältinnen und Anwälte dient vor allem der qualifizierten Bearbeitung der zivilrechtlichen Revisionen, der Nichtzulassungsbeschwerden und der Rechtsbeschwerden im Interesse der Parteien«, begründet der Bundesgerichtshof diese Vorgabe. Bei Strafsachen können alle zugelassenen Anwälte Mandanten hier vertreten.
Wer sein Recht gegen einen Versicherer durchsetzen will, sollte einen Spezialisten an seiner Seite haben. Das ist eine der Lektionen, die Stefanie Jeske gelernt hat und für die sie bitter bezahlen muss. Für Streitigkeiten rund um die Assekuranz hat die Anwaltschaft eine eigene Fortbildung entwickelt, den Fachanwalt für Versicherungsrecht. Mittlerweile gibt es einige Hundert dieser Fachanwälte. Die Position der Verbraucher ist deshalb aber nicht unbedingt besser geworden, kritisiert Fachanwalt Jürgen Hennemann. »Nur wenige Fachanwälte arbeiten ausschließlich für Kunden oder Geschädigte«, sagt er. Darin sieht er ein gravierendes Problem. »Wenn ein Anwalt für einenVersicherer arbeitet und dann für einen Verbraucher, gibt es einen Interessenkonflikt«, ist er überzeugt. Privatleute, Freiberufler oder Kleinunternehmen kommen mit einem einzigen Mandat gegen einen Versicherer zum Anwalt. Selbst wenn sie öfter mal juristische Scharmützel haben, gegen das, was ein Versicherer einem Juristen an Aufträgen bieten kann, kommen sie nicht an. Die Auftragsmacht und damit der Einfluss eines Versicherers ist stärker. »Die
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