Die Angstmacher
Krankenkostenvollversicherung, also die reguläre Rundum-Krankenversicherung, weitere auf Zusatz- oder Krankenhaustagegeldversicherungen, Krankentagegeldversicherungen, Pflegeversicherungen und Reisekrankenversicherung. Bei einem Fünftel der Beschwerden stand die medizinische Notwendigkeit einer Leistung zur Debatte – also die Frage, ob der Versicherer eine Behandlung oder Diagnosemethode bezahlt. Da geht es ums Eingemachte. Im Jahr 2010 hat der Schiedsrichter der Krankenversicherer 4480 Beschwerden entschieden. In 28 Prozent der Fälle hatte der Kunde teilweise oder ganz Erfolg, in 72 Prozent nicht. Bei 0,2 Prozent der Fälle hat er eine förmliche Empfehlung ausgesprochen. Dazu kommt es, wenn der Krankenversicherer trotz der Intervention seines Ombudsmanns hart bleibt und dessen Lösung nicht akzeptiert. Die förmliche Empfehlung ist eine Art Fußaufstampfen. Der Krankenombudsmann verleiht seiner Auffassung Nachdruck. Die andere Seite kann, aber muss sich davon nicht beeindrucken lassen.
Die privaten Krankenversicherer behalten sich das alleinige Auswahlrecht vor und halten ihren Ombudsmann hinsichtlich seiner Kompetenzen ziemlich kurz. Das schützt die Unternehmen nicht vor unangenehmen Interventionen. Sehr selten äußern sich die Versicherungsombudsmänner zu konkreten Streitfällen, denn es ist ja gerade ihr Ansatz, im Stillen Konflikte beizulegen – sonst würden die Unternehmen sich auf dieses Modell wohl auch gar nicht einlassen. Doch manchmal platztselbst den von Amts wegen verschwiegenen Streitschlichtern der Kragen. Schröders Vorgänger Helmut Müller hat sich öffentlich im Streit zwischen der Allianz Private Krankenversicherung und Kunden positioniert. Er griff den Versicherer öffentlich an. Ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Aber die Allianz Private Krankenversicherung hatte sich auch etwas höchst Bemerkenswertes geleistet.
Um den zurückgehenden Marktanteilen etwas entgegenzusetzen, führte der Krankenversicherer der Allianz 2007 einen neuen Tarif ein. Viele der alten Angebote standen neuen Kunden nicht mehr offen. Aussterbetarife sind für Kunden, die sie abgeschlossen haben, nicht gut. Weil keine neuen Tarifkollegen nachkommen, wird der Versicherungsschutz teurer, die Beiträge drohen zu steigen. Und stetig steigende Prämien sind in der privaten Krankenversicherung ohnehin ein chronisches Problem. Gleichzeitig waren die neuen Tarife billiger als die alten – sonst wären sie auch nicht dazu geeignet gewesen, die Marktanteile zu vergrößern. Aber die Tarife hatten einen Haken, der sie nicht für alle so billig machte, wie es schien. Der Versicherer wollte Zuschläge für mehr Risiken haben als bei den alten Angeboten. Wer sich privat krankenversichern will, muss umso mehr zahlen, je kränker er ist. Kunden, die aus einem alten in den neuen Tarif wechseln wollten, sollten einen besonderen Risikozuschlag in Höhe von 20 Prozent zahlen, unabhängig von ihrem Gesundheitszustand und davon, ob sie zuvor schon einen Zuschlag zahlen mussten. Die Allianz begründete das damit, dass der neue Tarif eben völlig anders kalkuliert sei als der alte. Doch das Versicherungsvertragsgesetz sieht vor, dass Kunden in einen Tarif mit gleichem Leistungsangebot beim selben Versicherer wechseln können, ohne dafür einen Zuschlag zahlen zu müssen. Deshalb sahen Kunden nicht ein, dass die Allianz für den Wechsel Geld wollte, und beschwerten sich beim Krankenombudsmann.
Die Frage war und ist von grundsätzlicher Bedeutung für privat Krankenversicherte. Das Tarifwechselrecht ist wichtig. Wird der ursprünglich gewählte Tarif für Kunden im Alter immer teurer, können sie durch einen Wechsel viel Geld sparen. Mit dem pauschalen Risikozuschlag unterläuft die Allianz dieses Recht, kritisierte Ombudsmann Helmut Müller. Dutzende von Kunden beschwerten sich bei ihm. Bei Dutzenden empfahl er der Allianz, den pauschalen Risikozuschlag zurückzunehmen. Sehr ungewöhnlich: Er machte das auch öffentlich, etwa bei einer Tagung des Bundes der Versicherten. Das Unternehmen nahm den Risikozuschlag daraufhin nicht zurück. Aber es unterlag schließlich vor Gericht in dieser Frage.
Die Versicherungsaufsicht BaFin
Verbraucher können sich nicht nur bei den Schiedsstellen der Branche beschweren, sondern auch bei der Aufsichtsbehörde mit dem anmutigen Namen »Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht«, kurz BaFin. Von dieser Möglichkeit machten verärgerte Kunden der Allianz Private Krankenversicherung im oben
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