Die Angstmacher
nicht viel aus«, sagt Hirsch. Es gibt Versicherer, die ihre Kunden im Streitfall offensiv auf den Ombudsmann aufmerksam machen und ihnen vorschlagen, die Sache dort klären zu lassen. Aber das macht nicht jeder.
Auf Millionen von Verträgen und unzähligen Internetseiten ist die Anschrift des Ombudsmanns vermerkt. Aber in dergroßen Menge der Informationen geht das oft unter. Viele Verbraucher wissen nicht, was sich hinter dieser Institution verbirgt. Möglicherweise scheuen manche den Weg zum Schiedsmann, weil sie glauben, er sei Teil der Branche. Aber Günter Hirsch ist unabhängig. »Ich bin kein Verbraucherschützer, ich bin neutral«, betont der 1943 geborene Jurist. »Aber die Schlichtungsstelle dient dem Verbraucherschutz.« Der Einrichtung zugrunde liegt die Einsicht, dass es ein enormes Gefälle zwischen Unternehmen und Kunden gibt. »Diese strukturelle Asymmetrie gleiche ich aus, indem ich für Waffengleichheit sorge«, sagt er. »Die rechtliche und moralische Verpflichtung des Ombudsmanns ist, dafür zu sorgen, dass sich beide Seiten auf Augenhöhe begegnen können.«
Die Entscheidungsgewalt des Ombudsmanns
Die Befugnisse des Ombudsmanns wachsen. Die Schiedsstelle wird von einem Verein getragen, dem Versicherer und – im Beirat – Verbraucherschützer angehören. Beide Seiten müssen sich auf eine Person einigen. Versicherer, die Mitglied in dem Verein sind – und das sind fast alle –, verpflichten sich, die Entscheidungen des Ombudsmanns bis zu einem Streitwert von 10 000 Euro zu akzeptieren und umzusetzen. Früher lag die Grenze bei 5000 Euro. Mit der Anhebung hat die Mitgliederversammlung des Vereins dem Ombudsmann nicht nur symbolisch mehr Entscheidungsgewalt gegeben. Bei 5000 Euro liegt die Grenze, bis zu der Amtsgerichte entscheiden. Nach der Erhöhung ist die Entscheidungsgewalt des Ombudsmanns auf den Bereich der Landgerichte ausgedehnt. Für Verbraucher ist das gut. Der Ombudsmann kann ihnen den Weg durch die Instanzen ersparen. Sie haben kein Risiko, sie müssen für das Schiedsverfahren ja nichts zahlen. Und mit ihrer Beschwerde beim Ombudsmann wird die Verjährungsfrist gestoppt. Sie verlieren also nichts, wenn sie zunächst diesen Weg beschreiten. Gefällt ihnen dasErgebnis nicht, können sie immer noch klagen. Der Versicherer kann das nicht. Er ist an Hirschs Worte gebunden, jedenfalls bis zu einer Grenze von 10 000 Euro.
Ist der Streitwert höher, kann der Ombudsmann bis zu einer Grenze von 100 000 Euro eine Empfehlung aussprechen. In der Regel folgen die Versicherer ihr. Geht es um mehr Geld, ist Hirsch nicht zuständig. »Liegt der Streitwert über 100 000 Euro, mache ich die Akte gar nicht erst auf«, sagt er. Den Streitwert bemisst er nach derselben Methode wie die Gerichte.
Hirsch ist den Grundsätzen der Richter verbunden. Deshalb ist eines für ihn unantastbar: das Transparenzgebot. »Ich will nur Informationen, die allen Parteien zur Verfügung stehen«, sagt er. Verweigert ein Versicherer die Regulierung wegen des Verdachts auf Versicherungsbetrug, bieten Unternehmen dem Ombudsmann oft an, die konkreten Anhaltspunkte zu nennen. Sie wollen aber nicht, dass der Kunde sie erfährt. Denn wenn es vor Gericht geht, wollen sie ihr Pulver nicht verschossen haben. »Ich darf aber keine Informationen zur Kenntnis nehmen und der anderen Seite keine Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen«, erklärt er. Deshalb will er die konkreten Anhaltspunkte des Versicherers für einen Betrug gar nicht mitgeteilt bekommen. »Andererseits will ich aber auch nicht zum Instrument für Versicherungsbetrüger werden«, sagt er. Die Schiedsstelle hat eine Lösung für das Dilemma gefunden, allerdings zugunsten der Unternehmen. Sie bekommen einen Vertrauensvorschuss. Erklären die Versicherer substanziiert, dass sie Gründe für den Betrugsverdacht haben, beendet der Ombudsmann das Verfahren und überlässt die Entscheidung den Gerichten. Das müssen zwar ernsthafte Hinweise sein, etwa ein Gutachten, die Schiedsstelle prüft sie aber nicht. Der Beschwerdeführer kann entscheiden, ob er vor Gericht zieht oder nicht. Eine Ausnahme von diesem Transparenzgebot macht der Ombudsmann in der Lebensversicherung. Oft beschweren sich Verbraucher, weil ihnen die Auszahlung zu niedrig ist. Die Schiedsstelle fordert die versicherungstechnischen Berechnungsunterlagen von Unternehmen an und prüft sie auf Plausibilität. Die Mitarbeiter erhalten also die einschlägigen Formeln von den Unternehmen, die ansonsten
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