Die Angstmacher
stand auf dem Standpunkt, dass für Altverträge weiter die Fünfjahresfrist gilt. Sie akzeptierte unter anderem die Kündigung eines Kunden nicht, der seine Unfallversicherung beenden wollte. Das ließ sich der Verbraucher nicht gefallen und zog mit Unterstützung des Bundes derVersicherten vor Gericht. Die Organisation wäre bereit gewesen, bis vor den Bundesgerichtshof zu ziehen. Das war nicht nötig. Die Provinzial Rheinland gab schließlich klein bei. Das Verfahren hatte ihr negative Schlagzeilen gebracht. Zum Ärger der Gesellschaft hatte sich auch der Versicherungsombudsmann auf die Seite des kündigungswilligen Kunden gestellt. Der Versicherungsombudsmann ist eine von der Branche eingerichtete Schiedsstelle. Sie ist eine der wenigen Einrichtungen der Assekuranz, von der Verbraucher wirklich etwas haben.
3. Wer enttäuschten Kunden hilft
A ls der internationale Fußballverband FIFA die Weltmeisterschaft 2018 an Russland und das Turnier 2022 an den Wüstenstaat Katar vergab, war das Entsetzen groß. Viele Fußballfans glauben nicht, dass bei der Vergabe alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs Günter Hirsch war zum Zeitpunkt der Vergabe Mitglied der Ethikkommission der FIFA. Diese Kommission soll gegen Korruption innerhalb des Verbands vorgehen. Hirsch mochte kein Feigenblatt mehr sein. Er warf sein Amt als Fußball-Ethiker hin und schrieb der FIFA einen bösen Brief. Er habe den Eindruck, »dass die Verantwortlichen der FIFA kein wirkliches Interesse daran haben, eine aktive Rolle bei der Aufklärung, Verfolgung und Vorbeugung von Verstößen gegen das Ethikreglement der FIFA zu spielen«. 57 Auch mit der Ethikkommission selbst ging er hart ins Gericht. Sie kann nur tätig werden, wenn die FIFA das will. Eine merkwürdige Kontrollinstanz. Günter Hirsch ist ein Mann mit Rückgrat und Prinzipien. Der Jurist ist auch der Versicherungsombudsmann. Er ist für die außergerichtliche Streitschlichtung zwischen Kunden und Anbietern zuständig.
Schnell, unbürokratisch, kostenlos – das klingt so gar nicht nach Assekuranz. Und doch gibt es innerhalb der Versicherungswirtschaft mit dem Ombudsmann eine Instanz, die so vorgeht. Er half den Angehörigen eines Mannes, der mit Anfang vierzig einen Schlaganfall hatte. Seitdem liegt der Familienvater im Wachkoma. Dass er berufsunfähig ist, steht außer Frage. Trotzdem wollte sein Versicherer nicht zahlen. Der Mann hatte vor Vertragsabschluss im Antragsbogen unter anderem nicht angegeben, dass er wegen Rückenbeschwerden behandelt worden war. Daran war nicht zu rütteln. »Aber er hat ein Recht darauf, zu diesem Sachverhalt angehört zu werden«, sagt OmbudsmannHirsch. »Vielleicht kann er ja erklären, wie es dazu gekommen ist.« Der Patient im Wachkoma kann jedoch keine Auskunft geben, vielleicht niemals. Andere können zu der Sache keine Angaben machen. Mit so einem Fall hatten sich Richter noch nicht beschäftigt. »Ich habe dem Versicherer mitgeteilt, dass rechtlich völlig ungeklärt ist, was passiert, wenn der Versicherungsnehmer sich nicht artikulieren kann«, berichtet Hirsch. Das Unternehmen beschloss, aus Kulanz zu zahlen.
Bevor Hirsch Ombudsmann wurde, war er sechs Jahre der deutsche Richter am Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg und fast acht Jahre Präsident des Bundesgerichtshofs, dem höchsten Zivil- und Strafgericht in Deutschland. Eigentlich ist er immer noch Richter, eben Schiedsrichter. Aber er sieht sich eher als Versöhner. »Anders als vor Gericht geht es bei mir nicht um den Kampf ums Recht«, sagt er. Sein Ziel ist, dass die Kontrahenten ihren Konflikt beilegen und der Vertrag danach weiterläuft. Für geschädigte Dritte wie Stefanie Jeske oder Sarah T. ist der Ombudsmann nicht zuständig. Unfallopfern, die der Versicherer des Schädigers über Jahre hinhält, kann er nicht helfen. Bei vergleichbaren Schiedsstellen in Nachbarländern ist das anders, zum Beispiel in Polen.
Über den Ombudsmann haben Kunden im Streitfall einen indirekten Draht zu den Unternehmen. Jeder Versicherer hat einen Mitarbeiter benannt, der für den Kontakt verantwortlich ist. Die Unternehmen müssen einen Mitgliedsbeitrag und darüber hinaus für jede Beschwerde eine Pauschale von bis zu 100 Euro zahlen. Anders als die Finanzaufsicht BaFin veröffentlicht der Ombudsmann die Namen der Gesellschaften nicht, über die sich Verbraucher beschweren. »Das würde in die Irre führen, die Zahl der Beschwerden sagt
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