Die Angstmacher
es gerade passt: Bei der AachenMünchener werden nur 5 Prozent durch Unfälle arbeitsunfähig. 2
Obwohl in der Branche vom Auszubildenden über den Sachbearbeiter und den Pressesprecher bis zum Vorstandsvorsitzenden niemand gut auf Verbraucherschützer zu sprechen ist, werden sie in dieser Frage gerne als Kronzeugen angeführt. »Laut Verbraucherschützern ist die wichtigste Versicherung neben der privaten Haftpflichtversicherung die Berufsunfähigkeitsversicherung. Das ist auch klar, denn Einkommensausfälle einer frühen Berufsunfähigkeit können enorm sein. Wer finanziert dann Ihre Familie, Miete / Haus, Auto? Vom Staat ist wenig zu holen«, heißt es bei der AachenMünchener. 3 Und ihre Vertriebsorganisation DVAG sieht das ähnlich: »Selbst Verbraucherschützer haben inzwischen ›unisono‹ erkannt: Gerade für jüngere Menschen ist die Berufsunfähigkeitsversicherung besonders wichtig.« Deshalb: »Am besten 75 Prozent des Nettoeinkommens sollten als BU-Rente abgesichert werden, und dies bei einem möglichst günstigen Anbieter.« 4 Das stimmt, auch Verbraucherschützer halten die Berufsunfähigkeitsversicherung für unverzichtbar. Aber sie kritisieren die Branche harsch für zu hohe Preise, die rigide Annahmepolitik und ihre Abwehrtaktik im Ernstfall. Mit der DVAG stehen sie wegen deren aggressiver Verkaufsmethoden und schlechter Beratung ohnehin auf Kriegsfuß.
Furchtappelle
Auf allen Wegen und Kanälen schüren die Versicherer Ängste. Nicht nur vor Berufsunfähigkeit, auch vor Altersarmut. Angstmacherei verbietet in Deutschland eigentlich die Wettbewerbsordnung. Bilder mit Verunglückten gibt es deshalb in der Werbung nicht. Die Versicherer müssen vorsichtig sein. Sie dürfen nicht mit allzu plakativen Angstbildern für ihre Altersvorsorge werben. Das wollen sie auch gar nicht, denn Negativ-Assoziationen muss man vorsichtig dosieren, wenn sie wirken sollen. Die Versicherer gehen subtil vor. Sie stellen sich als Beschützer dar, manche schlüpfen gar in die Rolle eines Schutzengels. Ein Schutz macht nur Sinn, wenn es eine Gefahr gibt. So können die Versicherer Ängste hervorrufen, ohne das schreckliche Geschehen selbst zu zeigen. Sie appellieren an die bereits vorhandenen Gefühle der Verunsicherung. Bei der Altersvorsorge und Hinterbliebenenabsicherung wird der Schrecken durchaus gerne drastisch dargestellt – aber lustig. Die Hannoversche Leben lässt einen Baum auf einen Menschen fallen – Comedy-Star Anke Engelke weiß das witzig zu wenden. Die Generali lässt in einem Hutgeschäft einen älteren Herrn einen Hut probieren. »Entschuldigung, haben Sie mal einen Euro?«, fragt der Herr Kunden in dem Laden. »Ihre Versorgung im Alter kann mühsam werden. Muss aber nicht«, sagt die Stimme aus dem Off. Der Spot lädt zum Schmunzeln ein. Gleichzeitig macht er Angst vor Altersarmut.
Auch das soziale Netzwerk Facebook nutzen die Versicherer für ihre Agitation. Bei der Gothaer pflegt Pressesprecher Klemens Surmann den Auftritt und stellt den Hinweis auf den im Focus erschienenen Artikel »Rund 660 000 Rentner müssen nebenher jobben« in das Facebook-Profil des Unternehmens. »Also – denkt rechtzeitig an eure Altersvorsorge, das ist dann gar nicht so teuer – etwa hier«, schreibt Surmann mit einem weiteren Hinweis, diesmal auf eine Seite, auf der die Gothaer ihre private Rentenversicherung anpreist. Die plumpen Methoden solcher »Furchtappelle« werden bei Versicherern immer beliebter. Die Furchtappell-Strategie wird bislang vor allem in der Gesundheitsprävention eingesetzt, zum Beispiel um die Gefahren des Rauchens drastisch darzustellen.
Die Assekuranz spannt noch ganz andere Netzwerke für ihre Propaganda ein. Ihre Marketing-Leute besorgen Kronzeugen aus der Wissenschaft. Experten warnen eindringlich vor Versorgungslücken und raten Bürgern, unbedingt etwas gegen die drohende Altersarmut oder die finanzielle Katastrophe bei Tod oder Krankheit des Hauptverdieners zu tun. Finanzdienstleister geben Studie um Studie in Auftrag, die drohende Altersarmut zubelegen. Immer wieder geben sie Pressekonferenzen mit Wissenschaftlern wie Bert Rürup oder Bernd Raffelhüschen, die mahnen und warnen. So sorgt die Branche für Artikel und Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften, im Internet und im Fernsehen, auf die ihre Verkaufstruppen hinweisen können. Viele Vertreter haben Mappen bei sich, aus denen sie im Gespräch mit potenziellen Kunden Kopien von Zeitungsausschnitten holen, in denen es um mehr
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