Die Angstmacher
1936 zur Karlsruher Lebensversicherung. Als Versicherungsvertreter. Er arbeitete sich hoch und wurde in der Nachkriegszeit Generaldirektor.
Sein Vorgänger auf diesem Posten war Adolf Samwer. Der war von den Alliierten nach Kriegsende wegen seiner Verstrickung ins NS-Regime suspendiert worden. Samwer ging in die Politik, zunächst als Stadtrat. 1953 wurde er Bundestagsabgeordneter für die rechtsgerichtete Partei Gesamtdeutscher Block / Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten, 1955 wechselte er indie CDU. »Wie kaum anders zu erwarten, kümmerte er sich als Mandatsträger um die Interessen der Versicherungswirtschaft«, stellt der Historiker Gerald D. Feldman fest. 21 1957 wurde Samwer Generaldirektor der Deutschen Krankenversicherung in Köln. Er starb im September 1958 bei einem Autounfall.
Dass ein Versicherungsmanager in die Politik geht, ist so ungewöhnlich nicht. Der FDP-Spitzenpolitiker Patrick Döring war im Vorstand beim Hannoveraner Versicherer Wertgarantie. Nach seiner Nominierung als FDP-Generalsekretär gab er die Funktion auf. Das Unternehmen bietet neben Tier-Krankenversicherungen sehr umstrittene Handy-Versicherungen und Garantie-Versicherungen für Elektrogeräte an, die über den Fachhandel verkauft werden. Verbraucherschützer halten quasi alles, was dieser Versicherer im Programm hat, für Unsinn. Nicht zufällig gilt gerade die FDP als besonders versicherungsfreundlich. Otto Graf Lambsdorff war von 1971 bis 1977 Vorstandsmitglied der Victoria Rückversicherung. Dann wurde er Wirtschaftsminister der sozialliberalen Koalition. »Seine Bedingung für die Annahme des Ministerpostens war die Zusage, jederzeit wieder bei der Victoria Rückversicherung AG weitermachen zu können«, schreibt der Historiker Michael Philipp. 22 Lambsdorff habe es schon schlimm genug gefunden, auf die Hälfte seines Einkommens verzichten zu müssen.
Seitenwechsler sind für die Branche der Idealfall – in beide Richtungen. Christian Weber, stellvertretender Direktor des Verbands der privaten Krankenversicherung, wurde vom damaligen Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zum Leiter der Abteilung für Grundsatzfragen im Bundesgesundheitsministerium berufen. Andersherum geht es auch: Die ehemalige hessische Sozial- und spätere Umweltministerin Silke Lautenschläger (CDU) ist zum privaten Krankenversicherer DKV gewechselt. Joachim Wuermeling war für die CSU im Europaparlament, von Dezember 2005 bis Januar 2008 Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und wechselte dann zum Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft,wo er Mitglied der Hauptgeschäftsführung wurde. Die Munich Re denkt europäisch. Nur wenige Wochen, nachdem Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) ihren Job als EU-Kommissarin beendet hatte, holte sie die Österreicherin in den Aufsichtsrat. Friedrich Merz, einst Vorsitzender der CDU / CSU-Bundestagsfraktion und heute Rechtsanwalt in einer renommierten Kanzlei, ist im Aufsichtsrat der deutschen AXA.
Der einzige deutsche Versicherer, der als Unternehmen selbst und nicht nur über den Branchenverband offiziell Lobbyarbeit in Berlin betreibt, ist die Allianz. An der besten Adresse der Hauptstadt, am noblen Pariser Platz direkt am Brandenburger Tor, unterhält der Versicherer eine Repräsentanz. In den gigantomanischen Plänen für die Reichshauptstadt »Germania« des Hitler-Architekten Albert Speer war ein repräsentatives Gebäude der Allianz sehr hervorgehoben am »Großen Platz« vorgesehen. Die Allianz ist in den Zwanzigerjahren zu Deutschlands größtem Versicherer aufgestiegen. Dazu gemacht hatte sie Kurt Schmitt. Als der deutschnationale Wirtschaftsminister Alfred Hugenberg am 27. Juni 1933 zum Rücktritt gezwungen wurde, folgte zwei Tage später Kurt Schmitt, der Generaldirektor der Allianz. Den konservativen Kanzlern Heinrich Brüning und Franz von Papen hatte der Allianz-Mann in der Endphase der Weimarer Republik nicht als Wirtschaftsminister zu Verfügung stehen wollen, Hitler aber schon. Nach einem Zusammenbruch kurz nach dem Röhm-Putsch 1934 übte Schmitt das Amt wegen Krankheit nicht mehr aus, Anfang 1935 trat er zurück. Er zeigte sich in der Öffentlichkeit oft in SS-Uniform. 1937 wurde er Chef der Münchener Rück. Nach Ende des Krieges bekam er Berufsverbot, gegen das er sich zur Wehr setzte. Kurz vor seinem Tod 1950 hatte er damit Erfolg.
»Schmitts Nachfolger Hans Heß wahrte ein sehr distanziertes Verhältnis zum Nationalsozialismus. Er trat, anders
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