Die Angstmacher
ihresgleichen dafür, dass ihnen im Alter bestimmt keine Armut droht. »Rentenlücke« – dieses hässliche Wort brauchen sie nicht zu fürchten. Aber sie wollen, dass die Bürger innehalten und erschrecken, wenn sie den alarmierenden Begriff hören. Finanzindustrie und Politik sind eng verwoben. Die Versicherer haben in Berlin eine starke Lobby. Das Hauptquartier der Assekuranz, die Geschäftsstelle des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, liegt zu Fuß nur zwei Minuten vom Bundesfinanzministerium in Berlin entfernt. Doch es ist nicht die enge räumliche Verbindung der hauptberuflichen Strippenzieher, die die große Nähe der Branche zur Politik ausmacht. Es sind die persönlichen Kontakte, ja Freundschaften, die einflussreiche Politiker zu den Branchengrößen unterhalten, die den großen Einfluss der Assekuranz sichern.
Schon auf der Startseite der MaschmeyerRürup AG im Internet sonnen sich die beiden Geschäftsführer im Glanz eines bedeutenden Menschen. »Ich bin mit den beiden Gründern persönlich befreundet«, wird Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) in großen Lettern zitiert. 17 Die beiden Gründer sind Carsten Maschmeyer und Bert Rürup. Carsten Maschmeyer hat mit dem Verkauf von Versicherungen und anderen Finanzverträgen ein riesiges Vermögen gemacht. Bert Rürup hat die Bundesregierung lange in Fragen wie der Rentenpolitik beraten. Unter falscher Bescheidenheit leiden beide nicht. »Zwei ›Päpste‹ tun sich zusammen« und »Rürup und Maschmeyer für die Welt« zitieren sie auf ihrer Homepage Veröffentlichungen. Kontakte für ihrgemeinsames Geschäftsfeld »Regierungsberatung« haben sie sehr gute. »Ein Exbundeskanzler, ein Exaußenminister, ein Exarbeitsminister, ein Exwirtschaftsweiser und ein Exvorstandsvorsitzender – das hört sich nach Nostalgie-Treffen an. Doch als sich gestern Gerhard Schröder, Hans-Dietrich Genscher, Walter Riester, Bert Rürup und Carsten Maschmeyer in der Finanzmetropole Frankfurt trafen, ging es um die Zukunft«, schrieb Hugo Müller-Vogg zur Eröffnung des Frankfurter Büros in Bild . 18 Genscher hielt die Festrede, Riester ist als Berater für das neue Unternehmen tätig. Maschmeyer hat auch zu anderen Politikern ausgezeichnete Kontakte. Bundespräsident Christian Wulff (CDU) machte im Sommer 2010 Urlaub in dessen Anwesen auf Mallorca. Auf der Gästeliste zu Maschmeyers 51. Geburtstag standen unter anderem die jetzige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sowie der jetzige Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP).
Carsten Maschmeyer ist einer der umstrittensten Männer der deutschen Finanzbranche. Seit seiner Liaison mit der Schauspielerin Veronica Ferres ist er auch ein Mann der bunten Gesellschaft. Maschmeyer wurde mit dem Aufbau des Hannoveraner Finanzvertriebs AWD schwerreich. Der von ihm 1988 ins Leben gerufene »Allgemeine Wirtschaftsdienst Hannover« ist schnell stark gewachsen, dank gnadenloser Verkaufstricks. Wegen übler Drückermethoden und dem schlechten Umgang mit den eigenen Verkäufern ist AWD immer wieder in die Kritik geraten, immer wieder kommt der Vertrieb wegen Provisionen oder Fehlberatung von Kunden in die Schlagzeilen. Die selbst ernannten »Finanzoptimierer« verschwiegen hohe Risiken bei der Kapitalanlage und versprachen irreale Renditen. AWD hat noch immer einen schlechten Ruf, auch wenn Maschmeyer einiges zur Imagepflege getan hat. Das Fußballstadion in Hannover trägt den Namen AWD, in Bremen gab es bis 2009 einen »AWD«-Dom. Danach hat das Unternehmen seine Werbestrategie geändert. Es wirbt nicht mehr regional, sondern nur noch lokal oder mit nationaler Strahlkraft. Um bundesweit in einemguten Licht zu erscheinen, engagierte Maschmeyer auch internationale Größen. Für eine riesige AWD-Geburtstagsfeier buchte er den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton. Den früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan lud er zu sich in sein Privathaus nach Hannover ein. Alles gut dokumentiert in Blättern wie Bunte oder Welt . Ohne angemessene mediale Aufbereitung lohnen sich solche Veranstaltungen nicht.
Der Drückerkönig wird gesellschaftsfähig
Nach dem Börsengang von AWD im Jahr 2000 hat sich Maschmeyer nach und nach den Respekt der Branche erarbeitet. Früher spotteten die feinen Herren aus den Vorstandsetagen gerne über den Aufsteiger, der sein Medizinstudium aufgegeben hat, um Versicherungen zu verkaufen, und der schon mal mit Gamaschen bei den Pressekonferenzen seines Unternehmens erschien. Sie
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