Die Angstmacher
unverschuldet an einem Verkehrsunfall beteiligt ist, hat das Recht, selbst eine Werkstatt auszusuchen. Er darf auch auf Kosten des Haftpflichtversicherers des Unfallverursachers einen Anwalt und einen Sachverständigen beauftragen. Nutzen die Geschädigten aber das Werkstattnetz, bleiben diese in der Regel außen vor. Die Versicherer haben eine klare Vorstellung davon, wie eine aus ihrer Sicht gute Schadenregulierung aussieht. Im Idealfall kommt ein Bergungsfahrzeug der Partnerwerkstatt zur Unfallstelle und nimmt das Auto mit. Dann wird der Wagen repariert und rundum gereinigt an einen gewünschten Ort zurückgebracht. Kunden empfinden das als freundliche Hilfe. Sie haben mit nichts etwas zu tun, das ist bequem. Es sieht so aus, als sei dieser Service für alle Seiten eine gute Sache. Aber Verbraucherschützer trauen dem Braten nicht. »Als Geschädigter sollte man sich nie in die Hände der gegnerischen Haftpflichtversicherung begeben«, sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. »Das ist der Gegner, der meint es nicht gut mit mir.« Der gegnerische Haftpflichtversicherer will den Schaden so billig wie möglich reparieren. Der Autobesitzer kann nicht kontrollieren, ob die Reparaturwerkstatt zum Beispiel Ersatzteile des Markenherstellers verwendet. Auch ob wirklich Ansprüche, zum Beispiel die Wertminderung, angemessen befriedigt werden, ist ungewiss. Außerdem erhält der Geschädigte in den meisten Fällen keine aussagekräftige Dokumentation des Schadens und vor allem des Unfallhergangs, warnen Sachverständige. Behauptet der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners Monate später, der Autohalter habe eine Mitschuld und müsse einen Teil des Schadens tragen, hat der Geschädigte keine Beweise.
Doch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft empfiehlt in seinem Ratgeber Ein Autounfall, was tun? : »Ist der Wagen nach dem Unfall noch fahrbereit und verkehrssicher und befindet sich eine Schaden-Schnelldienststation der Versicherung des Schädigers in der Nähe, so lassen Sie am einfachsten dort den Schadenumfang feststellen.« Das bedeutet: Der Partner des Versicherers stellt die Höhe des Schadens fest. Das ist der Gegner, der es nicht gut mit mir meint.
Mitschuld erklären, Ansprüche kürzen
Je nach Vertrag können die Partnerwerkstätten bei Schäden zwischen 4000 und 6000 Euro den Schaden einfach beheben – ohne dass ein Gutachter einen Blick darauf wirft. Unabhängige Sachverständige kritisieren das. Sie fürchten, dass die Wertminderung, die nicht nur neuere Autos durch einen Unfall haben, nicht angemessen berücksichtigt wird. Für einen Unfallwagen bekommt der Besitzer weniger Geld als für ein unversehrtes Fahrzeug. Die Differenz ist die Wertminderung. Geschädigte haben einen Anspruch darauf, die Wertminderung in Euro ausgezahlt zu bekommen. Beobachter sagen, die Gefahr ist groß, dass Autohalter nicht alles bekommen, was ihnen zusteht. Die HUK-Coburg bestreitet, dass sie Unfallopfern Ansprüche vorenthält, wenn ihre Autos in Partnerwerkstätten und ohne neutrale Gutachter repariert werden. »Wir können uns hier keine Blöße leisten«, sagt HUK-Sprecher Schnitzer. Der Geschädigte bekäme die Kostenpauschale, den Nutzungsausfall und die Wertminderung, die ihm zustehen. »Alles andere würden sich die Geschädigten auch gar nicht gefallen lassen«, sagt er.
Aber: Um sich etwas nicht gefallen zu lassen, müssen die Autohalter erst einmal wissen, welche Ansprüche sie haben. Wie die Branche das Thema Wertminderung handhabt, zeigt die Broschüre des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Was hier unter dem Punkt »Wertminderung« steht, lässt Böses ahnen: »Wurde Ihr Auto erheblich beschädigt, kann ein Anspruch auf den Ausgleich einer Wertminderung bestehen. Nach einer Faustformel kommt eine Wertminderung in Betracht, wenn das Fahrzeug nicht älter als fünf Jahre ist, die Fahrleistung unter 100 000 Kilometer liegt und Ihr Auto bisher unfallfreiwar. Die Höhe der Wertminderung hängt darüber hinaus vom Umfang des entstandenen Schadens ab.« Der Begriff »Faustformel« wird der Sache nicht gerecht. Der Bundesgerichtshof hat bereits 2004 ein Urteil mit dem Aktenzeichen VI ZR 357/ 03 gefällt, nach dem die Grenzen nicht starr bei einem Alter von fünf Jahren und einer Laufleistung von 100 000 Kilometern liegen. Aber wer die Broschüre des Gesamtverbands liest und ein älteres Auto oder einen Wagen mit höherer Kilometerzahl hat, wird wahrscheinlich gar nicht erst
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