Die Angstmacher
einen Anspruch auf Wertminderung stellen. Das spricht nicht dafür, dass die Interessen der Autohalter von den Versicherern angemessen wahrgenommen werden.
Ein weiteres Problem: Lässt der Versicherer den Schaden rasch und reibungslos reparieren, hat der Autobesitzer danach in der Regel keine Beweismittel. Er hat nur die Rechnung, aber keine Dokumentation wie Fotos oder Beschreibungen des Unfallhergangs. Diese Beweismittel sind nicht für das persönliche Archiv zur Erinnerung an das unschöne Ereignis wichtig. Sie helfen dem Geschädigten im Streitfall, seine Ansprüche durchzusetzen. Denn immer häufiger bestreiten Versicherer den Unfallhergang, sagen Sachverständige. Wie im Fall des auf der Dieselspur ausgerutschten Motorradfahrers fordern sie lange nach dem Ereignis Beweise. Das ist die Masche: »Vertrauen erwecken und hinterher kommt der Hammer«, sagt der unabhängige Sachverständige Mario Stoll. Oder sie unterstellen ein Mitverschulden des Unfallopfers. Den Geschädigten trifft die Behauptung aus heiterem Himmel, dass er den Schaden zu einem bestimmten Prozentsatz mitverschuldet haben soll. Hat der Autohalter dann keine Möglichkeit, das Gegenteil zu beweisen, muss er für einen Teil seines Schadens selbst aufkommen. Hat er eine Kaskoversicherung, wird sein Schadenfreiheitsrabatt zurückgestuft. Experten gehen davon aus, dass Versicherer künftig noch viel stärker auf das Instrument des Mitverschuldens setzen, um die Kosten zu drücken. Auch wer völlig schuldlos an einem Unfall ist, steht zunehmend in der Gefahr, einen Teildes Schadens selbst zahlen zu müssen. Sieht er das nicht ein, muss er vor Gericht ziehen. »Die Versicherer wissen, dass viele diesen beschwerlichen Weg scheuen«, sagt Verbraucherschützer Rudnik.
Ein anderer Weg der Kostensenkung ist, die Schadensumme einfach herabzusetzen. »Die Dreistigkeit, mit der Versicherungen rechtmäßige Ansprüche einfach wegkürzen, geht in die Nähe einer strafbaren Handlung«, sagt die Fachanwältin für Verkehrsrecht Daniela Mielchen. Liegt der Schaden bei 10 000 Euro, zahlen sie zum Beispiel 6500 Euro. Will der Autohalter den Rest, kann er ja klagen. Auch bei den Kosten für Mietwagen für Geschädigte sparen die Versicherer. Um zu erfahren, was das Ersatzfahrzeug kosten darf, können Betroffene auf die »Schwacke-Liste« zurückgreifen. Die Versicherer konsultieren aber lieber den »Fraunhofer-Mietpreisspiegel«, der niedrigere Preise angibt. Der BGH hat festgestellt, dass es Sache der Amts- und Landgerichte ist, die Entscheidung für oder gegen eine der Listen zu fällen. Es kommt also darauf an. Theoretisch müssen Geschädigte in Erfahrung bringen, wie die für ihren Fall zuständigen Richter die Sache sehen. Das können sie aber erst feststellen, wenn sie vor Gericht gezogen sind – dann ist es möglicherweise zu spät.
Nicht jeden trifft die Kostensenkungsstrategie der Versicherer. Vor dem Schadenregulierer sind alle gleich, nur manche sind etwas gleicher. »Die Versicherer prüfen schon bei der Schadensmeldung, bei wem sie die Kosten drücken können«, sagt Gutachter Mario Stoll. Viele fragen, ob der Geschädigte rechtsschutzversichert ist oder nicht. Auch den Beruf soll der Geschädigte angeben. »Wer in der Öffentlichkeit steht, wird verschont«, sagt er. Bei Politikern und Prominenten seien die Unternehmen vorsichtig.
Für Geschädigte ist wichtig, dass Gutachter wirklich neutral sind. Spielräume bei der Bewertung gibt es immer. Das Glas ist halb voll oder halb leer. Für einen Autobesitzer kann die Perspektive des Sachverständigen dafür entscheidend sein, ob erseinen Wagen reparieren lassen kann oder nur einen geringen Betrag als Entschädigung bekommt. Aber viele Gutachter sind nicht wirklich frei und unabhängig. Sie arbeiten mit der Versicherungswirtschaft zusammen. In Kooperationsvereinbarungen werden die Fachleute angehalten, mit unterschiedlichen Stundenverrechnungssätzen zu rechnen, je nachdem, ob ein Reparaturauftrag vorliegt oder nicht. Liegt kein Auftrag vor, soll der Gutachter etwa die Stundenverrechnungssätze der günstigsten Markenwerkstatt im Umkreis von 50 Kilometern zugrunde legen. Liegt ein Auftrag vor, ist mit denen der konkreten Werkstatt zu kalkulieren. Für den gleichen Schaden können also unterschiedlich hohe Summen herauskommen. Wichtig ist das für Autobesitzer, die den Schaden nicht reparieren lassen möchten. Sie lassen die Beule im Kotflügel oder legen selbst Hand an und bekommen das Geld für den
Weitere Kostenlose Bücher