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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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festgestellten Schaden vom Versicherer. Das nennt man »fiktive Abrechnung«.
    Bei Kaskoschäden bestimmt der Versicherer immer den Gutachter. Mit der Vergabe dieser Aufträge nehmen die Gesellschaften direkt Einfluss auf den Berufsstand. Sie können ihnen Aufträge geben oder nehmen und sie so gefügig machen. Wollen Verbraucher wissen, wie unabhängig ein Sachverständiger ist, brauchen sie ihn nur zu fragen, wie viele Kaskoschäden er bearbeitet. Was passieren kann, wenn man dem Gutachter des eigenen Versicherers vertraut, musste ein Autoliebhaber aus Bad Orb erfahren. Er fährt gerne schnelle Wagen. Deshalb hat er sich eine Chevrolet Corvette angeschafft, die bringt es auf bis zu 300 Kilometer die Stunde. Nachdem der Auto-Fan eine Verkehrsinsel übersehen hatte, war sein Wagen ziemlich lädiert. Der Gutachter, den sein Versicherer R+V geschickt hatte, warf einen Blick auf den Chevrolet und stellte einen Schaden von rund 6300 Euro fest. Die Fachleute in der Werkstatt, in die der Mann seinen Wagen brachte, weigerten sich, das Auto dafür zu reparieren. Ein zweiter, neutraler Gutachter kam auf einen anderen Schaden: 25 500 Euro. Kommen Sachverständige zu so unterschiedlichen Ergebnissen, wird ein Dritter eingeschaltet:der Obmann. Der kam auf 26 565 Euro. Doch richtig schlimm war nicht das Geld. »Der erste Gutachter hat erhebliche Sicherheitsrisiken übersehen«, sagt Mario Stoll. Der Rahmen des Chevrolets war verschoben, die Achsen geschädigt und die Reifen gerissen. Davon stand nichts im ersten Gutachten, das alles wäre nicht repariert worden. »Bei 180 bis 200 Stundenkilometern wären die Reifen geplatzt«, sagt er. »Das war ein Spiel mit Leben und Tod.«
    Die R+V hat die vom Obmann geforderten Reparaturen bezahlt. Dass der von ihr beauftragte Sachverständige die Sicherheit des Kunden gefährdet hätte, weist der Versicherer zurück. »Der Sachverständige der Firma carexpert hat bei der Besichtigung das Fahrzeug sorgfältig auf mögliche Beschädigungen im Bereich der Vorderachse untersucht. Da im Raum stand, dass das Fahrzeug beim Unfall einen Bordstein überfahren habe, untersuchte er Felgen und Reifen sowie die Vorderachse auf sichtbare Beschädigungen, er konnte keine feststellen«, sagt die R+V. Die von dem späteren Gutachter festgestellte Verschiebung der Achse stehe im Widerspruch zum ersten Gutachten. »Eine erneute Vermessung wurde jedoch nicht durchgeführt, sodass dieser Widerspruch leider nicht aufgeklärt werden kann«, heißt es.
Auto in Todesgefahr
    Im März 2011 hatte Klaus-Jürgen Heitmann einen für ihn bestimmt schönen Termin. Der für das Kfz-Geschäft zuständige Vorstand der HUK-Coburg überreichte dem millionsten Kunden, der dem Versicherer die Reparatur seines Autos überlassen hatte, im Autohaus Schach in Wetzlar einen Scheck. Friedhelm Dalitz und seine Frau bekamen einen Gutschein für ein Wellness-Wochenende im Grandhotel Schloss Bensberg bei Köln, das übrigens dem Versicherungskonzern Generali gehört. Dalitz hatte nach einem Wildunfall die komplette Schadenregulierung der HUK-Coburg überlassen. 46 Die HUK-Coburg bietet seit 2002den »Schadenservice Plus« an. Kunden mit einer Kaskopolice und Geschädigte von Kfz-Haftpflichtkunden können besondere Serviceleistungen bekommen wie die Bereitstellung eines Ersatzwagens, wenn sie das Auto in einer der Partnerwerkstätten reparieren lassen. Auf den Preisverfall in der Kfz-Versicherung reagierte die HUK-Coburg mit dem massiven Ausbau dieses Systems. 2006 führte sie den Tarif ein, bei dem sich Kunden für eine Werkstattbindung entscheiden konnten. Jeder zweite Neukunde entscheidet sich für einen Tarif, bei dem er sich dazu verpflichtet, Reparaturen auf Kosten des Versicherers in einer Partnerwerkstatt vornehmen zu lassen. Von den HUK-Kunden haben 2,3 Millionen einen Vertrag mit Werkstattbindung.
    Wer sich auf so einen Tarif einlässt, hat Vorteile. Da ist nicht nur der Preisnachlass. Er muss auch die Reparatur nicht mehr vorfinanzieren. Das Finanzielle regeln Versicherer und Werkstatt unter sich. Aber der Kunde hat nicht mehr die freie Wahl der Werkstatt. Selbst wenn das Autohaus des Vertrauens auf der Liste der Partner steht, heißt das nicht unbedingt, dass der Wagen im Schadensfall dort repariert wird. Denn Herr des Verfahrens ist der Versicherer. Er macht den Werkstätten die Zusage für eine bestimmte Auslastung, verteilt die Aufträge entsprechend und verpflichtet die Werkstätten zu einem bestimmten Vorgehen. Damit sorgt

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