Die Angune (German Edition)
ihn oder seinen Namen kannte. Zumindest bei den gebildeten Elben war der Ältestenrat eine hochgeachtete Institution über deren Entscheide man sich auf dem Laufenden hielt.
»Ein Kind hat mir erzählt, dass ihre Mutter zur Uri Dran'ja geht, wenn sie ein Problem hat.«
»Hat die Mutter dieses Kindes denn ein Problem?«
»Nein, ehrenwerte Maga! Ich habe ein Problem!«
»Und das ehrenwerte Mitglied des Ältestenrates in Rinu'usala benötigt die Hilfe einer armen, alten Frau die von den Kindern Uri genannt wird.«
»Das Mitglied des Ältestenrates benötigt eine vertrauenswürdige und weise Person, die bereit ist, ihm ihr Gehör zu leihen. Alles andere wird sich dann finden.«
»Hm! Dann redet Euch Euren Kummer vom Herzen, Meister!«
»Eine Delegation der Grauelben hat mir heute im Vertrauen eröffnet, dass sie gedenken, ihre beiden Mitglieder im Ältestenrat abzuziehen. Sie haben das Vertrauen in den Rat verloren.«
»Hm, das ist eine beunruhigende Nachricht!«
»Sie bezichtigen zwei Mitglieder des Ältestenrates die Ethikregeln verletzt zu haben. Sie sollen an einem Waffen- und Sklavenschmuggel beteiligt sein.«
»Hm, das ist eine sehr schlimme Anschuldigung!«
»Ich habe einen großen Teil meines Lebens den Idealen des Ältestenrates geopfert, der jetzt möglicherweise vor einer entscheidenden Bewährungsprobe steht. Die Nebelelfen beteiligen sich schon lange nicht mehr an den Arbeiten, und den Waldelfen fehlt ganz generell die Weitsicht. Wenn sich jetzt die Grauelben zurückziehen, bleiben nur noch Weißelfen und Dunkelalben übrig, und der Zeitpunkt ist absehbar an dem sich die Dunkelalben ebenfalls zurückziehen werden.«
»Hm! Das wäre in der Tat ein unwürdiger Tag für alle Elben, Elfen und Alben!«
»Wenn die Grauelben nur warmen Wind gesät haben, käme es zu einer intellektuellen Auseinandersetzung im Ältestenrat die vieles bereinigen könnte. Haben sie aber die Wahrheit berichtet, und eine Gruppe von Elben sät Hass und Leid im Land durch den Verkauf von Waffen und Sklaven, dann geht die Gemeinschaft der Elfen dunklen Zeiten entgegen.«
»Hm, sehr dunklen Zeiten! In der Tat!«
»Falls angesehene aber umtriebige Mitglieder des Ältestenrates an diesem schwarzen Handel beteiligt sind, besteht die Gefahr, dass es sich nicht nur um eine kleine, harmlose Räuberbande handelt. Dann steht zu befürchten, dass diese einflussreichen Ratsmitglieder die Spitze einer gut organisierten Gruppe bilden, die, gleich einer heimtückischen Giftpflanze, ihre Wurzeln bereits tief in den Untergrund getrieben haben. Wie kann also ein harmloser Meister des geschriebenen Wortes, der hauptsächlich mit Feder und Tinte kämpft, die Wölfe entdecken die sich in seiner Schafsherde verstecken?«
»Den Wolf in der Schafsherde muss der Hund des Hirten auftreiben, nicht der Hirte selbst.«
Calaele'en hob erstaunt die Augenbrauen und schaute die alte Maga an, da er das Gesagte nicht verstanden hatte.
»Spione, ehrenwerter Meister! Spione!«, sagte die Uri Dran'ja leicht tadelnd. »Wer einen Wolf sucht, der sich in einer Schafsherde versteckt, braucht Spione! Rinu'usala ist voll von Spionen. Jede Rasse, jedes Volk, jede Berufskaste hat seine Spione i m Zentrum der Versammlung der Weißelfen. Aber ich sehe schon, ...«
Die Maga ließ den Satz unvollendet und Calaele'en fügte ›... ich nicht! ‹ in Gedanken hinzu.
Beide schwiegen wieder und richteten ihre Blicke auf die Blütenpracht des Vorgartens. Honigbienen schwirrten beschäftigt von Blüte zu Blüte. Auf anderen Blumen hatten sich Schmetterlinge niedergelassen und klappten die Flügel auf und zu. Eine gelbe Libelle schoss vorbei und verschwand hinter dem Haus.
»Ich denke da an jemanden, ...«
Die alte Maga zog einen mit feinen Gravuren versehenen Kieselstein aus ihrer Tunika und nickte mit dem Kopf.
»Ich werde Euch auf dem Laufenden halten, ehrenwerter Meister der geschriebenen Kunst.«
Calaele'ens Niedergeschlagenheit wich langsam von ihm. Die Uri Dran'ja schien wirklich jedem helfen zu können.
Als der Meister der Schriften wieder gegangen war, blieb die Maga noch eine Weile in der Sonne sitzen und sinnierte über das Gesagte nach.
Der Meister hatte gemeint, er fühle sich wie ein Hirte, der einen Wolf in seiner Schafsherde sucht.
Schaf und Wolf, eine allegorische Darstellung des ewigen Gegensatzes von Gut und Böse.
Genauso wie der Kontrast von Licht und Schatten, oder die Polarisierung von Hell und Dunkel.
So wie die weißen Elfen und die dunklen
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