Die Angune (German Edition)
sicher gewesen, dass seine Einschätzung der Lage richtig war. Aber jetzt, nachdem sich Aurora langsam zum Zenit ihrer Laufbahn hochschob und der Abendstern aufgetaucht war, bekam er Angst und wünschte sich nicht mehr hier zu sein.
Falls die Drachenreiter sein Heer überrannten und aufri eben - so wie seinerzeit die Dunkelalben - dann würde der Jylta von den Geschichtsschreiber der Zweisonnenwelt als eine rebellische Tragödie zurückbehalten werden, für die es nur einen Verantwortlichen gab: Ganbold Gan'ka Zehnender, den einäugigen Meneliden, ein roher und ungebildeter Schläger, dem der Erfolg zu Kopf gestiegen waren, der in seiner Arroganz die Drachenreiter herausgefordert hatte, und den die Götter fürchterlich bestraft hatten.
Glücklicherweise saß der Heerführer auf einem Reittier, denn seine Knie begannen zu schlottern.
»Herr?«
Zehnender zuckte zusammen.
»Sind sie in Ordnung, Herr?«
Der Menelide schaute auf den Soldaten hinunter, der neben ihm stand.
» Ja doch! Alles in Ordnung!«.
Dann blickte er in den Himmel.
»Ich habe eben daran gedacht, dass dies ein guter Tag werden wird!«, log er.
»Und dass wir heute die Drachenreiter mächtig in den Arsch treten werden!«, presste er verbissen zwischen den Zä hnen hervor.
Aber die Drachenreiter kamen nicht. Stunde um Stunde verging und langsam nahm die Spannung bei den Kriegern ab.
«Drachenreiter!»
Der Ruf des Ausgucks rüttelte alle wach. Hunderte von Augenpaaren - insofern sie etwas unter ihrer Deckung sehen konnten - starrten angestrengt Richtung Wyvergard. Ein schwarzer Punkt war im Dunst des Horizonts aufgetaucht. Und daneben tauchte noch einer auf.
Zwei!
Und noch einer!
Drei!
Und dann ... keiner mehr!
Die drei Punkte wurden rasch größer, aber dahinter blieb der Himmel leer.
Hatten die Drachenreiter etwa nur drei Drachen entsandt um sein Heer anzugreifen? Zehnender war enttäuscht. Das war schon fast entwürdigend!
Ohne einen Wimpernschlag verfolgte er den Flug der Dr achen. Sie kamen rasch näher, änderten ihre Flughöhe aber nicht.
Sonst war nichts am Himmel zu erkennen.
Als sich die drei Drachenreiter dem Pass näherten, wurde die Spannung der Krieger spürbar. Jeder saß sprungbereit in seiner Stellung. Aber noch immer hielten die Drachen ihre Flughöhe bei, weit außerhalb jeder Schussdistanz.
Dann teilten sie sich auf. Die zwei kleineren Drachen b egannen links und rechts über der Hügelkette zu patrouillieren, während der dritte Drache, etwas größer als die beiden anderen, über dem nördlichen Ausgang des Tals kreiste.
Zehnender war beeindruckt. Dieses Tier war noch größer als der Drache vom Tage zuvor.
›Vielleicht ihr Anführer, ...‹, dachte Zehnender, ›... der gekommen ist, um sich ein Bild der Lage zu machen!‹
Der große Drache zog seine Kreise dort wo der Menelide die Wurfmaschinen aufgestellt waren.
›Verdammter Hund! Schau sie dir gut an, ...‹, schimpfte Zehnender in Gedanken, ›... denn gleich werden sie dir um die Ohren pfeifen!‹
Dann zog der große Drache weiter, und begann kreiselnd über das ganze Lager hinweg zuziehen.
Nach ein paar weiteren Kurven stieg der Drache mit schnellen, mächtigen Flügelschlägen steil in die Höhe, und kam im Steilflug zurückgeschossen.
Bei Zehnender verkrampfte sich der Magen.
»Fertigmachen zum Angriff!«, brüllte er und die sechs Cornisten an seiner Seite bliesen das entsprechende Signal.
Jede Sehne seines Körpers war angespannt. Seine Hände hatte er so fest in den Sattel gekrallt, dass sie blutleer wurden.
Aber es geschah nichts!
Der große Drache war noch immer viel zu hoch, und schoss mit kräftigen Flügelschlägen über das Lager hinweg.
Und dann explodierte Zehnenders Kopf.
Es war ein grausiges, schrilles Zirpen das sich über das Tal legte und allen Kriegern eine schmerzverzerrte Grimasse über das Gesicht jagte. Das Schreckenshorn des Meneliden scheute und stieg. Mehr unbewusst als bewusst hatte er es am rechten Zügel herumgerissen und bedrängte es mit der rechten Ferse. Das verschreckte Tier drehte sich mehrmals im Kreis, schlug mit den Hufen aus, mal mit einem Vorderbein, mal mit beiden Hinterbeinen. Immer wieder bockte es.
Im ganzen Lager war Chaos ausgebrochen. Überall bückten sich die Krieger und hielten sich die schmerzenden Ohren zu.
Als sich die letzten Schallwellen aus dem Tal verflüchtigten, hatte der große Drache schon wieder viel an Höhe gewonnen. Er stieg mit mächtigen Flügelschl ägen in den Himmel
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