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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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rausgehen und kurz unter vier Augen sprechen.«
Ich sah mich entschuldigend zu Viviane um. Sie nickte und lächelte verständnisvoll. Danach ging ich mit Pedro hinaus.
Die Sonne war untergegangen und es war wieder kühler geworden. Aber der Himmel spannte sich klar und wolkenlos über uns.
»Ich entschuldige mich noch einmal dafür, dass ich dir nicht die nötige Aufmerksamkeit habe zukommen lassen. Es tut mir sehr, sehr leid. Mein Vater hat einfach kein Verständnis für meine persönlichen Angelegenheiten.«
»Über einen Anruf hätte ich mich auch gefreut«, sagte ich.
»Ich habe versucht, dich anzurufen, aber es war ständig besetzt.«
    Ich musste zugeben, dass es heute tatsächlich nicht einfach gewesen war, mich am Telefon zu erreichen, weil das halbe Dorf angerufen hatte, um sich nach mir zu erkundigen. Umso trauriger , dass mein Freund nicht darunter war.
»Dann hast du es nicht oft genug versucht.« Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Es verletzte mich, dass ich ihm offensichtlich nicht wichtig genug war, um gegen seinen Vater aufzubegehren und zu mir zu kommen. Glücklicherweise war mein Unfall glimpflich ausgegangen, aber was wäre, wenn ich wirklich halbtot im Krankenhaus gelegen hätte? Wäre er dann gekommen? Wenn ich daran zurückdachte, wie sehr er sich um mich bemüht hatte, als ich noch nicht seine Freundin war, dann wunderte ich mich jetzt über seine Gefühllosigkeit. Jedes Mädchen im Dorf und sogar aus Moosberg wollte ihn haben. Er war vierundzwanzig und hatte gerade sein Landwirtschaftsstudium abgeschlossen. Seine Eltern besaßen ein Schloss mit vierhundert Hektar Land zwischen Moosberg und Mullendorf, einen beeindruckenden Fuhrpark, mehrere Pferde und eine Hühnerfarm. Er war noch dazu ungemein attraktiv. Und er interessierte sich ausgerechnet für mich. Doch jetzt war davon nicht mehr viel zu spüren. Er betrachtete mich als eines seiner Hühner oder Pferde, und ich fragte mich, ob er sich nicht vielleicht deshalb so um mich bemüht hatte, weil ich damals das einzige Mädchen gewesen war, das ihn nicht haben wollte.
»Wie schon gesagt, ich mache es wieder gut«, raunte er und nestelte an den Knöpfen meiner Bluse. Ich stieß seine Hand weg.
»Lass das, Pedro, mir ist heute wirklich nicht danach.«
Er verzog enttäuscht den Mund und ließ die Hand sinken. »Dann lass uns zu mir fahren. Unsere Köchin hat Torte gebacken, davon ist noch viel übrig. Du liebst doch Torte.«
    Damit hatte er Recht. Die Torte hätte ich gern gehabt, aber ihn nicht. Ich weiß nicht mehr, wieso ich an dem Abend plötzlich solch eine Abneigung gegen Pedro verspürte. Zugegebenermaßen war er nie meine große Liebe gewesen, und ich war eigentlich nur mit ihm zusammengekommen, weil mir jeder in Mullendorf und Moosberg gesagt hatte, ich könne so froh und glücklich sein, dass dieser junge Mann sich für mich interessiere. Und so war es dann irgendwie passiert. Doch heute fühlte ich mich weder froh noch glücklich über sein Interesse. Vielleicht hatte das Erlebnis vom vorherigen Abend meinen Verstand geschärft. Es hieß, wenn man dem Tod ins Auge geschaut hat, befreit man sich von allem Unnötigen und bekommt ein neues Verständnis für das Leben. Ich konnte mich zwar nicht erinnern, dem Tod ins Auge gesehen zu haben, aber den Erzählungen der Zeugen nach war es so gewesen. Deshalb fühlte ich mich auf einmal so, als müsste ich alles beenden, was nicht gut für mich war. Oder wenigstens diese eine Beziehung, die in meinen Augen auf einmal nichts mehr wert war.
»Es ist vorbei«, sagte ich.
Pedro sah mich mit großen Augen an, als könne er nicht verstehen, was ich gesagt hatte. Dann sah er zu ein paar Dorfbewohnern, die aus dem Clubhaus gelaufen kamen, und lächelte. »Du meinst das Meeting.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine uns. Ich weiß nicht, wo das noch hinführen soll, wenn ich jetzt schon das Gefühl habe, dass eure Hühner dir wichtiger sind als ich.«
»Unsere Hühner ernähren uns. Du bist nur eine Dorfbewohnerin.«
»Ich bin NUR eine Dorfbewohnerin! So denkst du über mich? Über uns?« Ich hatte das Gefühl, mir platzte gleich der Kragen.
»So habe ich das nicht gemeint«, sagte er schnell, doch es half nichts.
»Weißt du, Pedro, dass ich nur wegen dir in Mullendorf geblieben bin? Meine Mutter wollte, dass ich nach Rostock oder Berlin gehe und dort studiere, um aus diesem elenden Kaff herauszukommen, aber ich habe es nicht getan, weil ich dachte, es würde dir das Herz brechen. Jetzt

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